Bunraku: Das japanische Puppentheater einfach erklärt
Das als Bunraku (文楽) bekannte japanische Puppentheater ist neben dem Nō-Theater und Kabuki (歌舞伎), mit dem Bunraku inhaltlich viele Überschneidungen hat, eine der drei herausragenden dramatischen Künste Japans.
Bunraku ist dabei nicht, wie das europäische Puppentheater, eine Kunstform, die vor allem für Kinder gedacht war oder ist, sondern eine Theaterform für Erwachsene, bei der ausgeklügelte und hoch bewegliche Puppen die Rolle der Schauspieler übernehmen. Das Puppenspiel wird im Bunraku von mindestens einem Sprecher und einem Shamisen (三味線, jap Instrument, ähnlich einer Laute) Spieler begleitet.
Da sich Bunraku als Kunstform stark auf Bilder und Töne stützt, muss man auch nicht unbedingt japanisch verstehen, um eine solche Vorstellung genießen und verstehen zu können.
Was ist Bunraku?
Bunraku oder „ningyo joruri“ (人形浄瑠璃), wie man diese Kunstform auch nennt, ist ein Puppentheater, bei dem Puppen die handelnden Personen darstellen. Zu der Darstellung treten mindestens ein Erzähler sowie ein Shamisen Spieler hinzu, der die Darbietung und Erzählung musikalisch begleitet.
Die aufwendigen und nicht selten recht großen Puppen werden dabei von drei Puppenspielern gleichzeitig bedient, die immer ganz in schwarz gekleidet sind, um möglichst mit dem Hintergrund zu verschwimmen. Anders als Puppen aus dem europäischen Kontext haben die in aller Regel aus Holz gefertigten Bunraku Puppen zudem keine Körper, weibliche Figuren auch keine Füße. Dieser wird durch die oft bunten und aufwändig gefertigten, meist traditionell japanischen Kleidungsstücke (Kimono) dargestellt. Bei Frauen fallen die Füße weg, da deren Kimonos traditionell bis über die Füße fielen.
Inhaltlich behandelt Bunraku Legenden und historische Geschichten rund um Heldentum, tragische Liebe oder Übernatürliches. Dabei stehen oft die menschlichen Emotionen im Mittelpunkt und bieten so auch heute noch einen Anschlusspunkt an vergangene Zeiten und meist überkommenen Traditionen, die in den erzählten Geschichten eine Rolle spielen.
Die zugrundeliegenden Legenden und historischen Erzählungen, wie z.B. die „Geschichte der 47 Ronin“, sind dabei teilweise dieselben, wie im Kabuki. Historisch dauerten die Aufführungen oft einen ganzen Tag, heute werden die Stücke meist gekürzt.
Als ernsthafte Kunstform gehört Bunraku zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO und wird in Japan offiziell als „unberührbares Kulturerbe“ eingestuft.
Was ist der Unterschied zwischen Bunraku und Kabuki?
Bunraku wie Kabuki („Gesang und Tanz“) entstanden in der Edo-Zeit (1603 bis 1868) und sind beide Kunstformen des Bürgertums – im Gegensatz zum älteren, vom Buddhismus geprägten Nō-Theater, das eng mit den Samurai und den herrschenden Klassen verbunden ist.
Durch die Verbindung mit dem Bürgertum erklären sich wohl auch die Ähnlichkeiten in den Sujets der beiden Kunstformen. Allerdings werden die Stücke im Kabuki durch Schauspieler (traditionell nur Männer) dargestellt und Tanz spielt eine wichtige Rolle, während im Bunraku Puppen, ein Erzähler und die Shamisen zur musikalischen Begleitung benutzt werden, um die Geschichten zu erzählen.
Die Geschichte des Bunraku
Das Bunraku Puppentheater wurde in Osaka im 17. Jahrhundert entwickelt und hat seinen Namen von dem legendären Puppenspieler Uemura Bunrakuken. Zu jener Zeit war Osaka schon eine wichtige Handelsstadt und hier fanden sich im damaligen Vergnügungsviertel Dontonbori neben anderen Einrichtungen auch Theater.
1684 gründete der Puppenspieler Takemoto Gidayū das erste Bunraku-Theater. Die dort aufgeführten Stücke, die oftmals von dem populären Dramatiker Chikamatsu Monzaemon stammten, der heute manchmal als Shakespear Japans bezeichnet wird, erlangten teils weite Beachtung.
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Historische Darstellung eines Bunraku von Utagawa Kunisadas Ukiyo-e Malerei aus dem Jahr 1855 , die Puppenspieler sind hinter ihren Puppen zu sehen.
Foto © Utagawa Kunisada — National Diet Library Digital Collections, Domaine public
In der Folgezeit verbreitete sich die Kunstform zwar über ganz Japan, verlor aber nach und nach an Beliebtheit und verlor immer mehr Publikum an das Kabuki-Theater. Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert gelang es dem Puppenspieler Uemura Bunrakuken (1751-1810) mit dem durch ihn gegründeten Theater, Bunraku wieder zu einer populären Kunstform zu machen.
Ein erneuter Rückgang erfolgte im Zuge der Modernisierung Japans während der Meiji-Zeit, (1868-1912). trotzdem gelang es, die Kunstform am Leben zu halten, die dann ab den 1960er Jahren ein echtes Revival erlebte und heute wieder einen wichtigen Stand in Japan einnimmt.
Die Hauptelemente des Bunraku: Erzähler, Puppenspieler, Musiker
Das Bunraku ist zwar ein Puppentheater, aber die Puppenspieler und Puppen sind nur einer von drei wichtigen Aspekten, die Bunraku ausmachen. Die im Allgemeinen aus Holz gefertigten Puppen mit ihren beweglichen Gesichtszügen werden jeweils von drei schwarz gekleideten Puppenspielern (Ningyotsukai) bedient.
Der Hauptpuppenspieler (Omozukai) bedient mithilfe von Stangen und nicht Schnüren mit der rechten Hand die Gesichtszüge und die rechte Hand der Puppe. Der linke Puppenspieler oder Hidarizukai bedient die linke Hand und ein dritter Puppenspieler, der Ashizukai, steuert die untere Hälfte der Puppe.
Puppen und Puppenspieler treten auf der Hauptbühne (Hombutai) auf. Im Zusammenspiel mit dem Erzähler und der Musik des Shamisen-Spielers entsteht ein Gesamtkunstwerk mit starken emotionalen Komponenten.
- Szene aus „Date Musume Koi no Higanoko“ (伊達娘恋緋鹿子) mit dem berühmten Spieler Yaoya Oshichi
Foto © Savannah Rivka, CC BY-SA 4.0
Die Puppen von Bunraku - Kunstwerke aus Holz und Seide
Die Puppen für das Bunraku Theater unterschieden sich deutlich von Puppen europäischer Machart und können durchaus zurecht als Kunstwerke aus Holz und Seide beschrieben werden. Dabei sind Bunraku-Puppen zuerst einmal deutlich größer (bis zu 1,50 Meter), als man dies sonst von Spielpuppen gewöhnt ist. Die Puppen haben zudem viele bewegliche Teile, zu diesen gehören die Beine, die Finger und die Mimik, also Augenbrauen, Mund, Augen, sogar die Haare.
Für einige Stücke kommen zudem verschiedene Köpfe für eine Puppe zum Einsatz, zum Beispiel wenn diese während des Stückes altert oder sich verwandelt. Eine Bunraku-Puppe wird mit Schnüren ohne Mittelkörper zusammengehalten und mithilfe von Stangen bewegt.
Die Illusion des Körpers entsteht durch die Kleidung der Puppe, in aller Regel ein edler Kimono aus Seide mit oft knalligen Farben, die die in Schwarz gekleideten Puppenspieler noch mehr in den Hintergrund treten lassen.
Der Tayū und die Kunst des Erzählens - Stimme des Dramas
Der Erzähler oder Tayū (太夫), manchmal sind es auch mehrere Sprecher, rezitiert alle Rollen und muss daher viele Stimmlagen beherrschen, um die verschiedenen Charakter in ihren Eigenheiten überzeugend darstellen zu können. Als Sprache wird dabei meist traditionelles Japanisch verwendet, das auch für Japaner nicht immer leicht zu verstehen ist, weshalb meist Untertitel auf modernem Japanisch angeboten werden.
Musik im Bunraku: Melodien, die bewegen - Die Shamisen-Spieler
Der Tayu arbeitet beim Sprechen eng mit dem Shamisen-Spieler oder Shamisenhiki (三味線弾き) zusammen, der die Darbietung und die gesprochenen Worte musikalisch untermalt und diesen eine besondere emotionale Dimension verleiht.
Das mit dem Puppenspiel perfekt synchronisierte Zusammengehen von Stimme und Musik, bei dem Tayu und Shamisenhiki sich für das Gesamterlebnis sozusagen gleichberechtigt ergänzen, wird Joruri genannt. Tayu und Shamisen-Spieler sitzen daher auch nebeneinander abseits der Hauptbühne bei einer Trennwand.
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Bunraku-Szene aus dem Film „Das Leben von Oharu“ von 1952
Foto © Shintōhō - The Life of Oharu film, Public Domain
Berühmte Bunraku-Stücke - Von der Bühne zum Publikum
Die Stücke des Bunraku Puppentheaters lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen, wie sie auch für das Kabuki und das Nō-Theater gelten:
- Jidaimono – historische bzw. höfische Geschichten, die sich mit heldenhaften Samurai und bedeutenden Schlachten beschäftigen und nur wenig individuell und persönliche Themen haben, wenn überhaupt.
- Sewamono – Geschichten aus dem alltäglichen Leben (meist der Edo-Zeit) des einfachen Volkes, in denen verbotene Liebe und der Konflikt zwischen Pflicht und persönlichen Gefühlen besonders beliebte Themen sind.
Ein berühmtes Beispiel für ein Jidaimono ist das Stück „Kanadehon Chushingura“, den meisten Nicht-Japanern besser als die „Geschichte von den 47 Ronin“ bekannt, die sich auf einen Kreuzzug begeben, um den Tod ihres Meisters durch den Verrat von Lord Morano zu rächen. Das Stück gipfelt in der Belagerung von Moranos Herrschaftssitz und dem – unvermeidlichen – rituellen Selbstmord (Seppuku) der 47 Ronin. Das Kanadehin Chushingura ist zudem einer der ersten Texte der japanischen Literatur, die ins Englische übersetzt wurden.
Ein bekanntes Beispiel für ein Stück der Sewamono Gattung ist „Sonezaki Shinjū“ (Liebesselbstmorde in Sonezaki). In dieser Romeo und Julia ähnlichen Geschichte begeht der Sojasaucen-Händler Tokubei zusammen mit der Kurtisane Ohatsu Selbstmord, nachdem er von einem Freund betrogen, verraten und als Dieb gebrandmarkt wird. Das Stück war zu seiner Entstehungszeit so populär, dass es zu so vielen Nachahmungen unter jungen Liebespaaren kam, dass die Regierung sich schließlich gezwungen sah, Liebesselbstmorde offiziell zu verbieten.
Bunraku heute im modernen Japan
Nach dem Revival in den 1960er Jahren hat sich Bunraku einen festen Platz in der künstlerischen Landschaft Japans gesichert. Allerdings dauern die Bunraku Aufführungen heute meist nur noch einige Stunden und nicht mehr den ganzen Tag. Zudem werden die Stücke werden oft von sechs oder mehr Akten auf zwei oder drei gekürzt.
Das Repertoire umfasst dabei hauptsächlich klassische Stücke aus der Edo- oder Meiji-Zeit, seltener für das Puppentheater neu geschriebene Werke. Zudem gibt es heutzutage auch wieder weibliche Puppenspieler, was historisch gesehen die meiste Zeit über verboten war, ähnlich wie im Kabuki. Seit dem Jahr 2003 gibt es mit der Bunraku Bay Puppet Troupe in den USA auch die erste nicht-japanische Bunraku Kompagnie.
Wo kann ich Bunraku anschauen?
In Japan stechen für den Besuch einer Bunraku Vorstellung vor allem das Nationale Bunraku-Theater in Osaka, das jährlich etwa 5 Produktionen macht, und das Nationaltheater in Tokyo, in dem die Produktionen aus Osaka aufgegriffen werden, hervor.
Daneben ist Awaji, eine kleine Insel, historisch berühmt für seine Puppenspieler und hat diese Tradition neu belebt. Das Awaji-Puppentheater bietet fast täglich Aufführungen, außer die Truppe ist auf Tournee.
Wer nicht nach Japan reisen kann oder will, um sich eine Bunraku Vorstellung anzusehen, der findet heute auch im Internet Aufzeichnungen und Ausschnitte bekannter Stücke, zum Beispiel auf Youtube. Insbesondere seit der Corona-Pandemie haben die Bunraku Bühnen auch vermehrt begonnen, ihre Aufführungen zu streamen bzw. ins Internet zu stellen.
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