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Japan und der Rhythmus der Natur – Der Sonnenkalender mit 24 Jahreszeiten (Sekki)

Wenn Sie an die Jahreszeiten in Japan denken, kommen Ihnen vermutlich Bilder von zarten Kirschblüten im Frühling oder rotgoldenem Ahornlaub im Herbst in den Sinn. Doch in der japanischen Tradition reicht die Einteilung des Jahres weit über Frühling, Sommer, Herbst und Winter hinaus. Ein altes Kalendersystem – der sogenannte Sekki-Kalender – unterteilt das Jahr in 24 feine Abschnitte, die jeweils besondere Naturphänomene oder Veränderungen markieren.

Dieses poetische, aber zugleich hochpräzise Kalender-System Japans lädt dazu ein, die Welt bewusster wahrzunehmen. In einer Zeit, in der viele den Kontakt zum natürlichen Jahreslauf verlieren, wirkt Sekki wie ein leiser Weckruf: Spüren Sie noch, wie sich der Frühling ankündigt?

 

Traditionelle Sumi-e-Darstellung von Kirschblüten vor dem Fuji als Symbol des japanischen Frühlings
Risshun - zwischen Winter und Frühling: Kirschblüten vor dem verschneiten Fuji-san, ein klassisches japanisches Motiv.

 

Was ist der Sekki-Kalender? – Der japanische Sonnenkalender mit 24 Jahreszeiten

Der Begriff Sekki (節気) stammt ursprünglich aus der chinesischen Astronomie und bedeutet wörtlich „Abschnitt der Jahreszeit“. Der Kalender wurde während der Tang-Dynastie entwickelt und in Japan bereits im 6. oder 7. Jahrhundert übernommen. Er basiert auf der Bewegung der Sonne entlang des Tierkreises und gliedert das Jahr in 24 gleiche Segmente, jeweils etwa 15 Tage lang.

Jeder dieser Abschnitte trägt einen eigenen Namen – wie etwa Risshun (立春) für den Frühlingsanfang oder Daikan (大寒) für die große Kälte – und beschreibt ein Naturphänomen, das in diesem Zeitraum typischerweise beobachtet wird.

Ursprünglich diente der Sekki-Kalender als Landwirtschaftskalender: Wann sollte gesät, wann geerntet werden? Aber auch spirituelle und kulturelle Bräuche orientierten sich an ihm.

 

Wann sind die Jahreszeiten in Japan? – Der Sekki-Kalender im Überblick

Der Sekki-Kalender unterteilt die vier bekannten Jahreszeiten in jeweils sechs Unterabschnitte. Hier ein Überblick über die 24 Sekki, jeweils mit Datum (basierend auf dem gregorianischen Kalender) und Bedeutung:

 

Jahreszeit

Sekki (jap.)

Bedeutung

Zeitraum (ca.)

Frühling

Risshun

Frühlingsanfang

4. Februar

 

Usui

Regenwasser

19. Februar

 

Keichitsu

Erwachen der Insekten

5. März

 

Shunbun

Frühlingstagundnachtgleiche

20. März

 

Seimei

Klare Helligkeit

4. April

 

Kokuu

Kornregen

20. April

Sommer

Rikka

Sommeranfang

5. Mai

 

Shōman

Kleine Fülle

21. Mai

 

Bōshu

Getreide reift

6. Juni

 

Geshi

Sommersonnenwende

21. Juni

 

Shōsho

Kleine Hitze

7. Juli

 

Taisho

Große Hitze

23. Juli

Herbst

Risshū

Herbstanfang

7. August

 

Shosho

Erste Abkühlung

23. August

 

Hakuro

Weißer Tau

7. September

 

Shūbun

Herbsttagundnachtgleiche

23. September

 

Kanro

Kalter Tau

8. Oktober

 

Sōkō

Erster Frost

23. Oktober

Winter

Rittō

Winteranfang

7. November

 

Shōsetsu

Kleiner Schnee

22. November

 

Taisetsu

Großer Schnee

7. Dezember

 

Tōji

Wintersonnenwende

22. Dezember

 

Shōkan

Kleine Kälte

5. Januar

 

Daikan

Große Kälte

20. Januar

 

Diese Einteilung führt zu einer faszinierenden Tiefe: Während der westliche Kalender sagt „es ist Frühling“, beschreibt der Sekki-Kalender, wie sich Blätter entfalten, Frösche erwachen, der erste Tau glitzert.

 

Welchen Kalender verwenden die Japaner heute? – Zwischen Gregorianisch, Gengō und Sekki

Seit 1873 verwendet Japan offiziell den gregorianischen Kalender, wie ihn auch westliche Länder nutzen. Doch daneben spielt das traditionelle Ärtenamen-System (Gengō) weiterhin eine wichtige Rolle, etwa auf Münzen, amtlichen Dokumenten oder in der Presse. Aktuell befinden wir uns im Reiwa-Zeitalter (seit 2019).

Der Sekki-Kalender wird heute nicht mehr staatlich genutzt, aber in der Kultur, Landwirtschaft und Spiritualität lebt er weiter – etwa im Teeweg, in Haiku-Gedichten oder saisonalen Küchenkalendern.

 

Welches Kalendersystem verwendet Japan historisch und heute? – Vom Lunisolarkalender zum modernen Alltag

Vor der Umstellung auf den gregorianischen Kalender nutzte Japan einen Lunisolarkalender, der sich sowohl an den Mondphasen als auch an der Sonnenbahn orientierte. Dieser sogenannte Tenpō-Kalender war bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch.

Interessanterweise existieren heute mehrere Zeitsysteme nebeneinander:

  • der gregorianische Kalender für Alltag und Verwaltung,
  • das Gengō-System als kultureller Rahmen,
  • und der Sekki-Kalender als poetisch-natürlicher Wegweiser durch das Jahr.

 

Sumi-e-Darstellung einer sommerlichen Flusslandschaft mit Vögeln und Schilf im japanischen Stil

Flusslandschaft mit ziehenden Vögeln und sanftem Schilf – die leise Schönheit des Shōman (erwachener Sommer) im Sekki-Kalender.

 

Mensch und Natur im Einklang – Was der Sekki-Kalender über das japanische Lebensgefühl verrät

In Japan ist die Verbindung zur Natur tief verwurzelt. Der Sekki-Kalender prägt nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch Bräuche und Feste. So wird z. B. zum Frühlingsanfang Setsubun gefeiert, bei dem Dämonen symbolisch vertrieben und neue Energien begrüßt werden.

Auch in der japanischen Küche spielt Saisonalität (季節感 kisetsukan) eine wichtige Rolle. Speisen werden bewusst passend zum Sekki serviert – im Mai etwa junge Bambussprossen, im Oktober Kastanienreis.

Die Dichter der Edo-Zeit schufen eigens „Haiku-Wörterverzeichnisse“ (季語 kigo), die den passenden Ausdruck für jede Sekki-Phase liefern.

 

Der Sekki-Kalender im Alltag – Zwischen Achtsamkeit und saisonaler Lebensweise

Ein eindrückliches Beispiel für gelebte Achtsamkeit liefert die japanische Teeweg-Lehrerin Sachiko Matsushita, die in einem Interview mit Nippon.com schildert:

„Im Teeweg richtet sich jede Bewegung, jedes Gefäß nach der Saison. Der Sekki hilft uns, selbst kleinste Veränderungen in der Natur wahrzunehmen – und unsere Gäste damit zu ehren.“

Auch Bauern und Gärtner orientieren sich nach wie vor an den natürlichen Übergängen des Sekki, etwa bei der Auswahl von Saatgut, beim Pflanzenschnitt oder bei der Ernte.

 

Warum Sekki auch außerhalb Japans inspiriert – Achtsamkeit und Mikro-Saisons

In einer Zeit, in der Achtsamkeit, Slow Living und Naturverbundenheit immer mehr an Bedeutung gewinnen, findet der Sekki-Kalender auch außerhalb Japans Fans. In sozialen Netzwerken tauchen Projekte wie „Micro Seasons“ auf, bei denen Menschen sich bewusst nach den 24 Abschnitten richten – etwa in Form von Tagebucheinträgen, Meditation oder saisonalem Kochen.

Selbst westliche Unternehmen greifen das Thema auf: Einige Designer, Yogastudios und Foodblogger strukturieren ihre Inhalte inzwischen nach Sekki-artigen Abschnitten, um bewusster mit dem Jahreslauf umzugehen.

 

Sumi-e-Grafik mit typischer japanischer Landschaft zur Darstellung der Jahreszeiten im Sekki-Kalender
Symbolträchtige Naturmotive wie Wasser, Pflanzen und Vögel illustrieren den steten Wandel im Rhythmus des traditionellen Sonnenkalender.

 

Der Sekki-Kalender als Brücke zwischen Mensch, Natur und Zeit

Der Sekki-Kalender ist mehr als ein exotisches Relikt aus alter Zeit. Er ist eine Einladung, das Jahr in seiner feinen Vielfalt zu erleben. Statt grober Blöcke bietet er ein Mosaik aus Stimmungen, Wandlungen und Sinneseindrücken.

Vielleicht möchten auch Sie künftig ab und zu innehalten und sich fragen: „Welche kleine Veränderung in der Natur fällt mir heute auf?“ So wird der Alltag reicher – und Zeit wieder fühlbarer.

 

 

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Titelfoto © japanwelt.de

 

 

 

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