Wabi Sabi Wohnen – japanischer Lifestyle
Wabi Sabi ist die Lehre von der Schönheit des Unvollkommenen. Während dieses doppelte Prinzip (Unvollkommenheit – Schönheit) bei uns in den letzten Jahren vor allem als mit dem Purismus oder dem Minimalismus verwandter Wohntrend bekannt geworden ist, ist Wabi Sabi in Japan viel mehr. Streng genommen kann man dieses Denksystem als ein ästhetisches und philosophisches Modell mit einer eigenen Form der Poetik betrachten.
Wabi Sabi Wohnen ist ein japanischer Einrichtungsstil. Er speist sich aus den Lehren der dahinterliegenden philosophischen Denkschule, die eng mit dem Zen-Buddhismus verbandelt ist. Ausdruck findet Wabi Sabi neben seiner möglichen Anwendung auf die Inneneinrichtung auch in der japanischen Teezeremonie und in japanischen Gärten.
Salopp gesagt ist Wabi Sabi damit ein bisschen das japanische Gegenstück zu Hygge, dieser gemütlichen Grundhaltung aus Skandinavien, die auch gleichzeitig eine Form der Philosophie, der Lebensauffassung ist.
Wenn Sie mehr über Wabi-Sabi, seine fünf Grundsätze und die Historie dieser Philosophie erfahren möchten, dann lesen Sie doch weiter. Und Marie Kondo kommt – natürlich – auch noch vor.
Die fünf Grundsätze des Wabi-Sabi
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Gemütlichkeit trotz reduzierter Formensprache: beim Wohnen im Wabi Sabi geht es um qualitätvolle Möbel und Accessoires in natürlichen Farben.
Foto © Maksim Goncharenok von Pexels
Wabi Sabi hat sich in Japan aus der Verbindung der Formen Purismus und Minimalismus entwickelt. Die beiden Grundpfeiler der Wabi Sabi Philosophie in Japan haben eine lange, bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition, den Zen-Buddhismus und einer Hochachtung des Makels, der kleinen Fehlerhaftigkeit.
Wabi Sabi als japanischer Lifestyle verfolgt durch seine Wertschätzung der Vergänglichkeit und des nicht Perfektem eine Form der Verinnerlichung und Bewusstwerdung des Selbst, des umgebenden Raumes und des Lebens in Harmonie mit der Natur. Ganz zentral sind dabei fünf zentrale Grundsätze, nach denen sich eine Einrichtung nach Wabi Sabi richten sollte:
- das Abwenden von Konsum, um des Konsums willen und Hinwendung zur Natur
- das Besinnen auf das Wesentliche
- Verwendung lokaler Produkte und Materialien in bester Qualität
- Wertschätzung und Bewahrung alter und liebgewonnener Gegenstände und deren Weitergabe
- der Genuss optischer Leere – weniger ist mehr
Die Geschichte von Wabi Sabi und die Entwicklung der Ästhetik des Unvollkommenen
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Sanfte Naturtöne, einfache Formen und eine ehrwürdige, natürliche Patina – dieses schlichte Schlafzimmer wirkt weder unterkühlt noch minimalistisch. Perfekt unperfekt.
Foto © nine koepfer, Unsplash
Der Lifestyle und Wohntrend Wabi Sabi ist deutlich mehr als einfach nur ein Einrichtungstrend und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Der Begriff Wabi Sabi (侘寂) geht auf den japanischen Teemeister und Zen-Mönch Sen no Rikyū zurück, der im 16. Jahrhundert lebte.
Die grundlegenden Prinzipien – Freude an der Herbheit der einsamen Stille, die Wertschätzung von Alter und Patina, die Lust am Detail und fehlender Perfektion, am Mangel – waren in Japan aber in ihren Grundzügen schon im Mittelalter (ca. 12. Jh.) und sogar in der Frühzeit der japanischen Hochkultur (ab dem 6./7. Jh.) aufzufinden und bilden eine lange Traditionslinie.
Nicht umsonst vergleichen Japanologen, die sich mit dem Phänomen Wabi Sabi auseinandersetzen den Stellenwert dieser ästhetischen Grundhaltung mit dem Streben nach Perfektion und Klarheit der alten Griechen. Auch die bildet bis heute einen Grundzug der ästhetischen Ideale des Westens.
Die Verbindung von Wabi Sabi mit dem Zen-Buddhismus liegt auch in dem Ausdruck der ersten der vier buddhistischen Edlen Weisheiten (dukkha, die edle Weisheit über das Leiden) in der Ästhetik des Wabi Sabi begründet.
Wabi Sabi in der japanischen Kunst
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Kintsugi Objekte sind Meisterwerke der Wabi-Sabi-Ästhetik. Die Reparatur wird nicht kaschiert, sondern vielmehr durch die Verwendung von Goldpigmenten elegant hervorgehoben. Ein völlig neues Objekt entsteht, meist viel wertvoller als das Original.
Foto © Guggger, Kintsugi, CC BY-SA 4.0
Die japanische Kunst ist seit gut 1000 Jahren durch die Lehren des Zen-Buddhismus beeinflusst. Besonders wichtig ist dabei die Kontemplation, das Schauen und Nachdenken über die Unvollkommenheit der Dinge, den Fluss der Zeit und des Lebens (Werden und Vergehen) sowie die zeitliche Endlichkeit aller Dinge.
Diese Lehren des Zen-Buddhismus sind alle Teil von Wabi Sabi und haben einige japanische Künste und Kunsthandwerke beeinflusst:
- Japanische Gärten und Gartenbau
- Bonsai-Zucht
- Ikebana (die japanische Kunst des Blumenarrangements)
- die japanische Teezeremonie (chadō oder sadō)
- japanische Poesie, vor allem das Haiku
- japanische Keramik (besonders Kintsugi, eine spezielle Reparaturmethode und Hagi-yaki, Steinzeug aus der Präfektur Yamaguchi)
- Honkyoku (die traditionelle Flötenmusik wandernder Zen-Mönche)
Die Schönheit der Leere – Minimalismus, Purismus und Wabi Sabi
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Puristische Eleganz – auch im Bad harmonieren beim Wabi Sabi sanfte Farben mit hochwertigen Materialien.
Foto © Jared Rice on Unsplash
Auch wenn Wabi Sabi als solches nicht die Lehre sondern die Betrachtung, die Einsamkeit und
die Vergänglichkeit als Ideal annimmt, liegt in allen drei Aspekten doch auch die Hinwendung zum Detail, zum Fühlen der Gegenstände und Erfahren der Natur.
Dazu benötigt es das Leeren des Bewusstseins, wenn man so will, und der Minimalismus als Stil korrespondiert damit selbstverständlich hervorragend.
Als Minimalismus bezeichnet man bei Wohntrends im Allgemeinen einen Einrichtungsstil, der sich auf das notwendigste beschränkt. Dadurch kommt den wenigen Möbelstücken und Einrichtungsgegenständen selbstverständlich eine besondere Bedeutung zu.
Gerade Kreative haben mitunter einen Hang zum Minimalismus, bei dem der Raum sozusagen zum leeren Blatt Papier wird, der mit Gedanken und Ideen gefüllt werden kann.
In Japan mit seiner sehr hohen Bevölkerungsdichte in den Metropolen und einem allgemeinen Mangel an Platz (nur ca. 20% der Gesamtfläche Japans eignen sich gut für die Anlage von Häusern, Dörfern und Städten) ist der Minimalismus schon aus Platzgründen weit verbreitet.
Die kleinen und sehr kleinen Appartements (Mikroapartments) profitieren deutlich von einer zurückgenommenen Einrichtung, die den wenigen vorhandenen Platz nicht zu sehr weiter einschränkt.
Unter Purismus wiederum versteht man bei Wohntrends eine Art der Konzentration auf das Essentielle – hier dann aber in höchster Qualität und klarem Design. Oft wird dabei auch auf Farbe verzichtet und in das vorherrschende Weiß vor allem mit schwarzen Kontrasten hineingearbeitet.
Minimalismus wie Purismus sind in ihrer Hinwendung auf Essentielles, Selbstbeschränkung und Konzentration wunderbar mit Wabi Sabi zu verbinden.
So werden ausgewählte, alte Keramiken oder andere Dinge hervorgehoben und zelebriert. Fenster in einen (möglichst japanischen) Garten hinaus bilden Bezüge zwischen dem Draußen, der Natur und dem Inneren, ohne dieses fragile Zusammenspiel von Noten durch auffällige, aufdringliche Möbel oder Gegenstände zu stören.
Marie Kondō und die Kunst des Aufräumens
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Die Königin des Purismus: Marie Kondo hat die Wabi Sabi Philosophie massentauglich gemacht.
Foto © Diarmuid Greene / SPORTSFILE / Web Summit, Web Summit 2015 - Dublin, Ireland (22765900312), CC BY 2.0
Die Netflix Serie „Aufräumen mit Marie Kondo“ hat die japanische Lifestyle-Beraterin und Bestsellerautorin auch in Deutschland zum Star gemacht. Im Amerikanischen hat sich sogar ein eigenes Verb mit ihrem Namen gebildet: to kondo – einen Schrank aufräumen.
Ein zentrales Element ihrer Lehre des Aufräumens ist Selbstbeschränkung, also das Aussortieren und Wegwerfen und damit auch das Bewusstwerden, welche Dinge wirklich wichtig sind, einem echt am Herzen liegen. Ihre Methode folgt dabei vereinfacht gesagt einem sehr eingängigen fünf Stufen Modell:
- Alles auf einmal aufräumen, keine halben Sachen
- Alle Dinge werden dabei auf einen Haufen gelegt
- Es wird nur das Behalten, was die folgende Frage positiv beantwortet: Macht es mich glücklich, wenn ich diesen Gegenstand in die Hand nehme?
- Die Gegenstände, die behalten werden, bekommen ihren ganz eigenen, definierten Platz zugewiesen.
- Alle Dinge müssen an ihrem Platz richtig verstaut werden.
Marie Kondō versucht durch ihre Methode mehr zu bewegen, als einem einfach beim Aufräumen zu helfen. Sie versucht, durch einen bewussten Umgang mit den uns umgebenden Gegenständen einen Purismus der Dinge herzustellen, die man behält, Dinge, die einem am Herzen liegen.
So wird jede Einrichtung automatisch minimalistischer und wird den behaltenen Dingen gleichzeitig mehr Raum und einen größeren Fokus geben. Damit folgt sie in ihrer eigenen Weise einer Mischung aus Purismus, Minimalismus und einem guten Schuss Wabi Sabi.
Lesen Sie mehr zum japanischen Lifestyle:
- Mingei – die japanische Volkskunstbewegung entdecken
- Mikroapartments in Japan – Leben auf kleinstem Raum
- Washitsu - das „japanische Zimmer“ und seine Stile
Titelfoto © Annie Spratt, Unsplash
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