Deutschland – Kulturschock für Japaner?
Fast 40.000 japanische Staatsbürger leben zeitweise oder dauerhaft in Deutschland. Einige zieht es aus beruflichen Gründen oder für ein Studium hierher. Viele Japaner und Japanerinnen haben sich aber auch aus familiären Gründen entschieden, dauerhaft in Deutschland zu leben. Welche kulturellen Unterschiede empfinden die Japaner in Deutschland besonders befremdlich und unverständlich? Und über welche deutschen Eigentümlichkeiten freuen sie sich?
Kulturschock Nummer 1: Schuhe in der Wohnung
In Japan eine Wohnung mit Schuhen zu betreten, verstößt gegen jede Konvention und brüskiert den Gastgeber. So ist es in Deutschland für einen Japaner recht befremdlich, wenn die Gäste Ihre Straßenschuhe nicht schon vor der Wohnungstür ausziehen.
In Japan müssen die Schuhe nicht nur beim Betreten einer privaten Wohnung ausgezogen werden, dies gilt auch für Tempel, Schulen, Arztpraxen und traditionellen Hotels und Restaurants (sofern sie einen Tatami-Boden haben).
Der Grund hierfür ist eigentlich ganz einleuchtend: In Japan werden die Mahlzeiten auf dem Boden sitzend eingenommen, auch die Futons rollt man abends direkt auf dem Boden aus. Der Boden soll daher nicht von Straßenschuhen verschmutzt werden, in Japan legt man ohnehin sehr viel Wert auf Sauberkeit und Hygiene.
Meist bekommt man vom Gastgeber ein Paar Hauspantoffeln, die man aber beim Betreten der Toilette aber ebenfalls noch einmal in spezielle Toilettenschuhe wechseln muss. Für Japaner ist es undenkbar, den Wohnraum und die Toilette mit den gleichen Schuhen zu betreten.
In Räumlichkeiten mit Tatamiböden werden generell keine Schuhe getragen, diese werden ausschließlich auf Socken betreten, um die Matten nicht zu beschädigen.
Toilette im Badezimmer
Japaner trennen die Räume zur Reinigung und Entspannung aus hygienischen Gründen strikt vom WC. Die Vorstellung, im selben Raum sein Geschäft zu verrichten und sich in der Badewanne zu entspannen, ist für einen Japaner undenkbar.
Daran muss sich ein Japaner im Ausland aber generell gewöhnen, in den wenigsten Ländern sind separate WCs Standard. Wie oben schon beschrieben, ist der Raum mit der Toilette zudem ausschließlich mit den sogenannten „Toilettenschuhen“ zu betreten.
Essen in der Öffentlichkeit
In Deutschland ist es leider völlig normal, Snacks oder Fast Food auf der Straße oder sogar während der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu essen. Auch dies ist für Japaner und Japanerinnen ein gewöhnungsdürftiger Anblick.
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Wird auch in Japan toleriert: Picknick oder Mittagessen im Park
Foto © Christian Chen, Unsplash
In Japan isst man nur in absoluten Notfällen auf der Straße und auf keinen Fall öffentlich in Zügen oder Bahnen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. In Japan isst man in Restaurants, Cafés oder am eigenen Küchentisch. Auf keinen Fall möchte man seine Mitmenschen mit Essensgerüchen belästigen.
Frauen in Führungsfunktionen
Japan liegt bei dem aktuellen Ranking des Global Gender Gap Reports (misst die Gleichstellung der Frauen in verschiedenen Ländern) auf dem unrühmlichen 117. Platz. Dort gibt es daher nur sehr wenige Politikerinnen und weibliche Führungspersönlichkeiten.
Wenn Frauen in Unternehmen eintreten, wird von ihnen oft erwartet, dass sie aufhören, sobald sie heiraten, um Hausfrauen und Mütter zu werden, und zu Hause bleiben.
Dementsprechend irritierend kann es mitunter für (meist ältere, männliche) Japaner sein, plötzlich eine weibliche Vorgesetzte oder gleichrangige Kolleginnen zu haben. Dies hat sich leider bis heute nicht wirklich geändert. Für Japanerinnen ist dies sogar oft ein Grund, zeitweise oder längerfristig im Ausland zu arbeiten.
Schau mir in die Augen!
Zu direkt zu sein kann in Japan als unhöflich angesehen werden. Das zeigt sich auch in der Körpersprache.
Den Menschen in Deutschland wird beigebracht, jemandem beim Sprechen oder Zuhören direkt in die Augen zu schauen, um zu zeigen, dass sie aktiv am Gespräch teilnehmen.
Für einen Japaner oder eine Japanerin kann ein längerer Augenkontakt zwischen Menschen, die sich nicht nahestehen, sehr unangenehm sein. Bei längeren Gesprächen werden die Augen daher oft abgewendet. Japaner sind auch tendenziell zurückhaltender als wir und teilen weniger persönliche oder sensible Informationen, selbst mit engen Freunden.
Viel Platz zum Wohnen und Leben
Bauland in Japan ist kostbar und teuer, da ein Großteil des Landes aus bergigem, unbebaubarem Gelände besteht. Japanische Wohnungen und Häuser sind in der Regel klein und sehr teuer, Grundstücke mitunter winzig. Unverheiratete und Frischvermählte ohne Kinder wohnen daher normalerweise bei Ihren Eltern oder den Schwiegereltern. Privatsphäre Fehlanzeige, oft mieten sich junge Ehepaare daher gelegentlich in einem der beliebten „Love Hotels“ ein.
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Mini- und Mikroapartments sind in Japan manchmal nur knapp fünf Quadratmeter groß. Die Japaner haben also Übung darin, noch den allerkleinsten Raum größtmöglich zu nutzen.
Foto: © Lauriane Betin on Unsplash
So ist es für jeden Japaner ein unglaublicher Luxus, in einer durchschnittlich großen deutschen Wohnung zu leben, auch die Mieten sind sehr viel preiswerter als in Japan.
„Kalte Brotzeit“ am Abend
Das Abendessen ist in Japan die wichtigste und größte Mahlzeit des Tages. Man freut sich, zu Abend ein reichhaltiges Essen zu sich zu nehmen: traditionell bestehend aus einer Suppe und drei Gerichten serviert mit Reis. Die Reste vom Abend werden dann gern für die Bento-Box am nächsten Tag im Büro/Schule aufgehoben.
In Japan freut man sich auf ein üppiges Abendessen, viele können sich daher überhaupt nicht mit der deutschen Sitte anfreunden, abends lediglich ein paar belegte Brote zu essen.
Fahrradwege
Fahrradwege gibt es in Japan nur auf den großen Hauptstraßen, meist ein sehr schmaler abgetrennter Bereich direkt neben den Autospuren. Im innerstädtischen Gebiet teilen sich die Fahrradfahrer den Gehweg mit den Fußgängern, die aber den absoluten Vorrang haben. Fahrradfahrer sind in Japan also immer sehr vorsichtig und rücksichtsvoll unterwegs.
Die deutschen separaten Fahrradwege sind für Japaner oft nicht ohne weiteres zu erkennen, und werden häufig mit dem Gehweg verwechselt. Fahrradfahrer hierzulande sind bei so etwas bekanntermaßen nicht gerade zimperlich. Für einen höflichen Japaner kann es da schon ein Kulturschock sein, von Fahrradfahrern wütend angeklingelt und beschimpft zu werden, zumal sie sich oft gar keiner Schuld bewusst sind.
Bloß nicht zu spät gratulieren!
Sehr ungewohnt sind für Japaner auch Situationen, bei denen die sonst so rationalen Deutschen doch sehr abergläubisch sind. Uns Deutschen ist es manchmal gar nicht bewusst, dass wir jemandem nur direkt an seinem Geburtstag gratulieren, einen Tag vorher ist das ein absolutes Tabu. Am nächsten Tag sollte man immer „nachträglich“ gratulieren, alles andere bringt Unglück. Eine Sitte, die man als Ausländer in Deutschland auch erst einmal verinnerlichen muss.
Geschlossene Geschäfte am Sonntag
In Japan ist es ein beliebter Zeitvertreib, in eines der vielen großen Kaufhäuser oder eine schöne Mall zu gehen, auch wenn man gar nichts kaufen möchte. Man schaut sich die Auslagen an, geht essen und bummelt ein bisschen – und das am liebsten am Sonntag.
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Die ausgeprägte Leidenschaft der Japaner, den Sonntag stundenlang in Shopping Malls zu verbringen, ist für uns Deutsche schwer verständlich.
Foto © Jezael Melgoza, Unsplash
Hierzulande gehört der Sonntag der Familie, man geht in die Natur oder trifft sich mit Freunden. Selbst die seltenen verkaufsoffenen Sonntage sorgen in den Innenstädten nicht für überfüllte Geschäfte. Vielen Japanern fehlt aus diesem Grund in Deutschland ganz besonders ihr liebster sonntäglicher Zeitvertreib.
Kurze Arbeitszeiten und unendlicher Urlaub
Feste Arbeitszeiten mit einem 8-Stunden-Tag und oft unglaubliche 30 Urlaubstage – ein Traum für jeden japanischen Arbeitnehmer und oft einer der wichtigsten Gründe, eine Zeitlang in Deutschland zu arbeiten.
In Japan sind 12-Stunden Tage nicht ungewöhnlich, auch Urlaub gibt es nur ein paar Tage im Jahr. Selbst diese Tage „schenken“ die Angestellten oft dem Unternehmen, um sich mehr „einzubringen“. In Deutschland undenkbar. Es gibt immer wieder große Probleme mit Überarbeitung in Japan und etliche Todesfälle im Jahr.
Die moderaten Arbeitszeiten und die gesetzliche Urlaubsregelung in Deutschland sind bei den Japanischen Arbeitnehmern daher ein großer Anreiz.
Trinkgeld versteht man in Japan nicht
Trinkgeld ist in Japan nicht üblich, denn guter Service ist für einen Japaner selbstverständlich. Es kann sogar beleidigend sein, in Japan Trinkgeld zu geben, da dies als abschätzig gegenüber dem Mitarbeiter und seinem Einkommen angesehen wird.
Wenn Sie nach dem Essen ein paar Scheine auf dem Tisch liegen lassen, bereiten Sie sich darauf vor, dass der Kellner Ihnen mit Ihrem "vergessenen" Gegenstand nachläuft.
Bei uns in Deutschland soll ein Trinkgeld die Wertschätzung für den guten Service zeigen. Auch werden Servicekräfte oft so gering entlohnt, dass sie auf das Trinkgeld angewiesen sind. Auch daran muss man sich als Japaner erst mal gewöhnen und Tipp geben nicht vergessen.
Keine kostenlosen öffentlichen Toiletten
Zum Schluss noch einmal das heikle Thema Toiletten. In Japan gibt es überall auf Bahnhöfen, in Kaufhäusern und in den Innenstädten kostenlose öffentliche Toiletten, blitzsauber und mit dem üblichen japanischen Technik-Schnickschnack.
Die in Deutschland fälligen fünfzig Cent sind daher (nicht nur für Japaner) schon etwas befremdlich. Zudem gibt oft, wie beispielsweise in S- und U-Bahnen, gar keine Toiletten.
Wer schon einmal eines der kostenlosen WCs auf einem deutschen Autobahnparkplatz benutzen musste kann sich gut vorstellen, dass dies für die reinlichen und sauberkeitsliebenden Japaner einer der schlimmsten Kulturschocks in Deutschland sein muss.
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