Japanische Kalligraphie-Pinsel: den richtigen Tintenpinsel finden

Welche Kalligraphie-Pinsel sind für Anfänger und Fortgeschrittene geeignet? Es gibt eine schier unübersichtliche Anzahl von Materialien und Formen. Jeder Kalligraphiepinsel (auch Tintenpinsel: (筆, fude) besitzt andere Eigenschaften und harmoniert daher auch nicht mit jeder Tinte oder Tusche. Wir zeigen Ihnen hier, was Sie bei der Auswahl eines geeigneten Pinselstiftes beachten müssen.

Welche Arten von Kalligraphie-Pinseln gibt es?

Kalligraphie-Pinsel unterscheiden sich stark hinsichtlich Größe, Textur, Material und Preis. Die Auswahl der Pinselhaare sollte sich immer am aktuellen Stand des Fortschritts, des beabsichtigten Schreib- oder Zeichenstils richten. Nach diesen Kriterien werden Tintenpinsel klassifiziert:

Aufbau eines klassischen Kalligraphie-Pinsels "Fude". 
Bild © Japanwelt.de 

Material des Pinsel-Haars:

Normalerweise besteht ein Kalligraphie-Pinsel aus Ziegen-, Sibirischer Wiesel-, Schweine-, Maus-, Büffel- , Wolfs- oder Kaninchenhaar. Es gibt aber auch exotische Tintenpinsel aus Tiger-, Geflügel, Hirsch und sogar menschliches Haar (vom ersten Haarschnitt eines Babys, nach kaiserlicher Tradition).

Pinsel-Griff

Der Griff oder Schacht eines Tintenpinsels wird üblicherweise aus Bambus gefertigt. Einige besonders wertvolle Pinsel können stattdessen auch aus Gold, Silber, Jade, Elfenbein oder exotischen Hölzern wie rotem Sandelholz bestehen. Mittlerweile gibt es aber auch preiswerte Tintenpinsel mit Kunststoffgriff.

Haartextur

Die Fude werden nach der Textur und den Eigenschaften des Haares klassifiziert:

• Weiches fude : Ziege, Wiesel
• Harte Textur : Pferd, Wiesel, Waschbär, Berkshire-Schwein
• Seltene fude: Geflügel, Pfau, Sambar, Dachs, Kaninchen, Bambus, Stroh
• Kengou (große) fude: Mischung aus verschiedenen Arten weicher und harter Haare, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen

Haarlänge

Japanische Kalligraphie Pinsel werden nach Haarlänge und Griffdicke eingeteilt: lang (chouhou, 長鋒), mittel (chuhou, 中鋒) oder kurz (tanhou, 短鋒 )

Die meisten Kalligraphien werden mit einem mittellangen Haarpinsel geschrieben. Pinsel mit langen Haaren halten die Tinte aufgrund ihrer Länge besser als die Pinsel mit kurzen Haaren. 

Daher sind mittlere Fude für kontinuierliche Linienskripte mit langen oder kurzen Strichen geeignet, beispielsweise im traditionellen japanischen Hiragana- Stil.

Langhaar-Tintenpinsel bestehen in der Regel aus Haaren mit harter Textur, um die Haarform länger beizubehalten. Japanische Pinsel mit sehr langen und schlanken Haaren, sogenannte Menso-Burushes (面相筆), werden für Detailmalereien verwendet.

Die Pinselspitze 命毛 (inoti-ge) ist der wichtigste Teil des Pinsels. „命“ bedeutet Leben.
Foto © Feng Zou

Wie wählt man den richtigen Kalligraphie-Pinsel aus?

Um den richtigen Pinsel auszuwählen müssen Sie sich also für das richtige Haar-Material und die richtige Haarlänge entscheiden.

Um Ihnen die Auswahl zu erleichtern, haben wir Ihnen hier eine Übersicht über die Eigenschaften der verschiedenen Materialien erstellt. Sie werden sehen, dass auch sehr exotische Materialien verwendet werden.

Ziegenhaar

Dieses Haar nimmt Tinte (Sumi) leicht auf und eignet sich gut für den Ausdruck flexibler und freier Pinselstriche. Schwünge und Kurven werden sehr rund und mit sanften Linien geformt.

Je mehr Tinte Sie verwenden, desto besser wird der Pinsel. Die Haare sind so weich und zart, dass Anfänger Schwierigkeiten haben werden, die Striche zu kontrollieren.

Rosshaar / Pferd

Diese Fude werden aus nur einer Rosshaarart hergestellt. Die Pinsel laufen spitz zu (Chikara-Haar). Der Pinselstrich wird nur mit dieser Spitze ausgeführt.

Rosshaar Tintenpinsel gibt es in den Farben Rotbraun, Weiß und Schwarz.

Nerz-/ Wieselhaar

Nerzhaar ist sehr kurz, daher wird dieses Material hauptsächlich für kurze, schmale Kalligraphie-Pinsel verwendet.

Fude aus Nerz- oder Wieselhaar haben eine hohe Elastizität und einen starken Strich.

Katzenhaar

Katamage Kalligraphie-Pinsel werden aus dem Hinterhaar der Katze gefertigt. Dieser Pinsel wird hauptsächlich für Hiragana verwendet.

Marder-/ Waschbärhund

Diese Tintenpinsel zeichnet sich durch seine besonders starke Spitze aus.

Edelmarder-Haar

Edelmarder-Haar ist sehr elastisch, da die einzelnen Haare sehr fein sind. Die Tinte kann sehr gut im Pinsel gehalten werden und eignet sich zum Schreiben feiner Linien.

Kalligraphie Pinsel aus den Schnurrhaaren der Ratte

Diese sehr exotischen Tintenpinsel sind sehr selten und hochpreisig. Das Pinselhaar ist vom Ansatz bis zur Spitze sehr hart und gerade. Dadurch ist möglich, sehr feine und schöne Linien zu zeichnen.

Vogelfedern

Diese Fude werden aus dem feinen Flaum verschiedener Vogelfedern gefertigt. Pinsel aus Vogelfedern sind sehr weich und mangelt es an Festigkeit. Aus diesem Grund sind diese Pinsel für Anfänger nicht zu empfehlen.

Bei geschickter Anwendung können jedoch erstaunliche und einzigartige Effekte erzielt werden. Die Linien sind flauschig, aber sehr gleichmäßig.

Fasanenfedern

Pinsel aus Fasanenfedern sind sehr fest und elastisch. Damit ist möglich, starke, scharfe Linien zu schreiben. Sobald man sich an den Griff gewöhnt hat, werden die Linien einzigartig und harmonisch.

Hirschhaar

Diese Kalligraphiepinsel werden aus dem stärksten Haar des Hirsches gefertigt. Die Striche sind eher hart, haben aber eine sehr eine starke Tiefenwirkung.

Weiße Schwanenfedern

Diese Textur ist sehr fein und zart. Die gezeichneten Linien muten sehr sanft an. Aufgrund der fehlenden Stabilität sind Pinsel aus Schwanenfedern nicht für Anfänger geeignet.

Pfauenfedern

Wie bei allen Fude aus Vogelfedern ist es schwierig, die Spitze des Pinsels zu kontrolliert zu führen. Die Haare sind sehr viel weicher als beispielsweise beim Fasan.

Bei geschickter Anwendung können aber sehr interessante, freigeformte Linien gezeichnet werden. Auch dieser Pinsel eignet sich eher für Fortgeschrittene.

Marderhund / Pferd Mix

Diese Mischung aus Marderhund und Rosshaar ist sehr elastisch und erzeugt sehr kräftige Linien.

Mix aus Marderhund-, Pferde- und Ziegenhaar

Diese Kalligraphie-Pinsel sind ideal für Einsteiger und Kalligraphie-Anfänger. Die Mischung vereint alle Vorteile der drei Materialtypen.

Menschliches Haar

Kalligraphie-Pinsel aus Babyhaar, das nach der Geburt als erstes geschnitten wurde, gehören wohl (für nicht-Japaner) zu den exotischsten Materialien. In Japan ist es eine uralte Tradition, zum Gedenken einen Babyhaarpinsel fertigen zu lassen. Dieser Brauch geht auf das Kaiserhaus zurück. Babyhaar ist sehr, sehr weich. Die Pinsel werden nur selten wirklich genutzt.

Wie pflegt man Kalligraphie Pinsel richtig?

Gerade hochwertige Tintenpinsel sollten in einem guten Zustand gehalten werden. Hier einige Tipps zur richtigen Handhabung, Säuberung und Pflege Ihres Fude.

Historischer “Hikka” zum Trocknen und Lagern wertvoller Pinsel
Foto © Shizhao - Own work, CC BY-SA 2.5, wikimedia

1. Entfernen Sie die Stärkepaste (wird zum Schutz vom Hersteller aufgetragen) mit klarem Wasser aus den Haaren Ihres Pinsels. Trocknen Sie den Pinsel vor dem ersten Gebrauch.
2. Beim zweiten Gebrauch wird empfohlen, die Haare des Pinsels gründlich in Wasser einzuweichen, um sie weicher zu machen.
3. Waschen Sie die Tinte nach jedem Gebrauch vollständig unter fließendem Wasser aus dem Pinsel aus. Streichen Sie die Haare dabei sanft von unten nach oben.
4. Nach dem Ausspülen tupfen Sie den Pinsel auf ein weißes Zellstofftuch. Wenn noch Tinte im Tuch ist, spülen Sie den Pinsel noch einmal aus.
5. Achten Sie beim Ausspülen darauf, nur die Haare einzuweichen. Der Griff und die Basis der Haare könnten sonst beschädigt
6. Der ausgespülte Pinsel sollte nun vollständig getrocknet werden. Vermeiden Sie aber direkte Sonneneinstrahlung. Kalligraphiepinsel dürfen auf keinen Fall trockengeföhnt werden.
7. Verwenden Sie möglichst keine Pinselkappe, diese könnte die Haarstruktur zerstören.
8. Bewahren Sie Ihren Kalligraphiepinsel immer senkrecht auf und verwenden Sie dazu möglichst einen Stiftständer. Bei feuchtem Klima eignet sich ein Hikka zum Aufhängen der Pinsel am besten.
9. Bei Pinseln mit tierischen Haaren müssen Sie eventuell ein Insektenschutzmittel einsetzen. Sie können hierzu ein normales Mittel für Kleidung aus der Drogerie verwenden.

Warum sind Kalligraphie-Pinsel so teuer?

Der Preis für einen Tintenpinsel kann nach Material und Hersteller erheblich variieren. Preiswerte Kalligraphie-Pinsel aus Kunsthaar sind kosten bei einigen Online-Shops um einen Euro, wogegen hochwertige Pinsel aus edlen Materialien mehrere tausend Euro kosten können.

Ein handgefertigter Kalligraphiepinsel für einen Meisterkalligraphen wird in Japan und China von erfahrenen Kunsthandwerkern hergestellt. Der aufwändige Prozess, der bis zu 200 Schritte umfassen kann, kann für einen einzigen Pinsel bis zu einem Monat dauern.

Alle Schritte der Herstellung eines Kalligraphiepinsels erfolgen per Hand: der berühmte  japanische Kunsthandwerker Yoshiyuki Hata bei der Erstauswahl des Haarmaterials
Foto © By Yuriizu - Own work, CC BY-SA 4.0, wikimedia

Wie werden handgefertigte Kalligraphie Pinsel hergestellt?

Der Herstellungsprozess eines japanischen Tintenpinsels umfasst sieben Teilschritte:

Als erstes wählt der Kunsthandwerker jedes Haar einzeln nach Stärke und Textur aus. Dieser Prozess „Kegumi“ (Klassifizierung von Haaren) wurde über die Jahrhunderte in Japan und auch China immer wieder verfeinert und ausgearbeitet.

Die ausgewählten Haare werden in fünf Sätzen mit einem Leinentuch umwickelt, um Schäden beim Auskochen zu verhindern. Nach der Reinigung (Watanuki) werden Flusen per Hand ausgekämmt, bevor die Haare in einem aufwändigen Prozess geglättet werden (Hinoshi).

Dazu werden die Haare mit Ölen getränkt und vorsichtig durch eine mit Reisschalenasche bestreute Walze gezogen. Das noch heiße Haar wird dann in Hirschleder gewickelt und damit das Öl entfernt (Haimomi).

Im letzten Schritt (Sakiyose) werden die Haarspitzen der fünf Sätze ausgerichtet. Der Meister richtet dabei die Haare durch vorsichtiges Klopfen mit einem Kirschholz vorsichtig an einer Metallform aus. Die Sakiyose ist der wichtigste und heikelste Schritt, der sehr viel Erfahrung und Geschick verlangt. In Japan sagt man, dass das Können eines Kunsthandwerkers allein an diesem Klopfgeräusch zu erkennen ist.

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