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Armut in Japan: Ein verborgenes Problem in einer wohlhabenden Nation

Japan ist weltweit für seine technologische Innovation, kulturelle Vielfalt und wirtschaftliche Stärke bekannt. Doch hinter der glitzernden Fassade der Megastädte und des hohen Lebensstandards verbirgt sich eine andere Realität: Armut und soziale Ungleichheit sind auch in Japan ein ernstzunehmendes Thema. Obwohl es sich um eine der größten Volkswirtschaften der Welt handelt, leben viele Japaner unterhalb der Armutsgrenze, vor allem in bestimmten Regionen und unter bestimmten Bevölkerungsgruppen.

Wir werfen einen ehrlichen und genauen Blick auf die soziale und wirtschaftliche Problematik der Armut in Japan. Welche sozialen Missstände verbergen sich hinter dem Bild dieser wohlhabenden Nation? Welche Regionen und Bevölkerungsgruppen sind besonders betroffen? Wie plant die japanische Regierung den Kreislauf der Armut zu durchbrechen?

 

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Kein seltener Anblick in Japan: Ein Obdachloser sammelt Recycling-Wertstoffe zum Verkauf in den Strassen von Ebisu.
Foto © Syced - 投稿者自身による著作物, CC0

 

Erschreckendes Ausmaß der Armut in Japan

In Japan wird Armut oft im Kontext der relativen Armut definiert. Das bedeutet, dass Menschen als arm gelten, wenn ihr Einkommen weniger als die Hälfte des nationalen Medianeinkommens beträgt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt, dass etwa 16 % der japanischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. Dies macht Japan zu einem der Länder mit der höchsten Armutsrate unter den Industrieländern.

Ein besonders alarmierendes Beispiel ist die Kinderarmut, die in Japan mit einer Rate von rund 14 % über dem OECD-Durchschnitt liegt. Die Situation ist für Kinder aus alleinerziehenden Haushalten besonders gravierend: Über 50 % der Kinder von Alleinerziehenden leben in Armut. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf ihre Bildung, Ernährung und allgemeine Lebensqualität.

 

Ursachen der Armut in Japan

Die Gründe für die Verbreitung von Armut in Japan sind vielschichtig und beinhalten strukturelle sowie soziale Faktoren:

 

1. Unsichere Arbeitsverhältnisse

Ein signifikanter Anteil der Arbeitskräfte ist in sogenannten "Non-Regular Jobs" tätig. Diese Arbeitsverhältnisse sind oft Teilzeit- oder befristete Beschäftigungen ohne soziale Absicherung. Rund 40 % der japanischen Arbeitskräfte sind in solchen Positionen beschäftigt, was zu geringen Einkommen und einer prekären finanziellen Lage führt.

Beispiel:
Viele ältere Tagelöhner, die auf Baustellen oder in der Transportindustrie arbeiten, verdienen oft nur den Mindestlohn. Besonders betroffen ist der Bezirk Nishinari-ku in Osaka, wo viele dieser Arbeiter in billigen Unterkünften leben und kaum genug verdienen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.

 

2. Überalterung der Gesellschaft

Mit einer der höchsten Lebenserwartungen weltweit kämpft Japan mit den Folgen einer alternden Bevölkerung. Viele ältere Menschen leben allein und ohne ausreichende Rentenleistungen. Frauen, die ihren Lebensunterhalt als Hausfrauen verbracht haben, sind besonders gefährdet, da sie oft nur geringe oder gar keine Rentenansprüche haben.

Beispiel:
In ländlichen Gegenden wie der Präfektur Akita findet man häufig verlassene Häuser und ältere Menschen, die kaum Zugang zu medizinischer Versorgung oder sozialen Dienstleistungen haben.

 

3. Hohe Lebenshaltungskosten

Japan ist eines der teuersten Länder der Welt, insbesondere in Großstädten wie Tokio oder Osaka. Die Kosten für Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung sind oft unerschwinglich für Menschen mit niedrigen Einkommen.

Beispiel:
In Tokio sind Mietwohnungen extrem teuer. Familien mit geringem Einkommen sind gezwungen, in kleinen, oft heruntergekommenen Apartments zu leben, die kaum Platz für die grundlegenden Bedürfnisse bieten.

 

Regionale Unterschiede und ärmliche Gebiete

Armut ist in Japan sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten zu finden, jedoch mit unterschiedlichen Ausprägungen:

 

1. Ländliche Gebiete

Ländliche Regionen in Japan leiden unter einer abnehmenden Bevölkerung und einem wirtschaftlichen Niedergang. Junge Menschen ziehen in die Städte, um Arbeit zu finden, während ältere Bewohner zurückbleiben. Diese Regionen haben oft wenig Zugang zu moderner Infrastruktur, Bildungseinrichtungen oder medizinischer Versorgung.

Beispiel:
Die Insel Shikoku hat viele verlassene Dörfer, sogenannte "Geisterdörfer", in denen kaum noch junge Menschen leben. Landwirtschaft, die einst der Lebensunterhalt vieler Bewohner war, ist aufgrund von Konkurrenz durch billigere Importe zurückgegangen.

 

2. Städtische Armutsbrennpunkte

Auch in den Großstädten gibt es Gebiete mit hoher Armutsrate. Ein bekanntes Beispiel ist Nishinari-ku in Osaka, das als sozialer Brennpunkt gilt. Hier leben viele Obdachlose und Tagelöhner, die keine stabile Arbeit finden. Die Gegend hat eine hohe Kriminalitätsrate und einen schlechten Ruf, was die Integration der Bewohner in die Gesellschaft weiter erschwert.

 

Welches sind die ärmsten Regionen Japans?

Die ärmsten Regionen Japans zeichnen sich oft durch geringe Beschäftigungsmöglichkeiten, eine abnehmende Bevölkerung und fehlende soziale Unterstützung aus.

 

Japan Armut Obdachlose Arme Regionen Slums

Obdachlosen-Plätze im Tamahime-Park in Tokios „Tagelöhner-Bezirk“ San’ya, ein Rückzugsort für viele Jōhatsu (freiwillig Verschwundene in Japan)
Foto © Kounosu - Own work, CC BY-SA 3.0

 

Okinawa – Die ärmste Präfektur Japans

Rund 29 % der Bevölkerung Okinawas leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Retour hat die höchste Armutsrate unter Kindern in ganz Japan. Das Pro-Kopf-Einkommen ist hier das niedrigste im Land. Trotz der malerischen Strände und des florierenden Tourismus profitiert die lokale Bevölkerung nicht vom wirtschaftlichen Aufschwung.

Hintergrund:
Okinawa war lange Zeit von den USA besetzt und ist immer noch Standort zahlreicher US-Militärbasen. Dies führte in der Vergangenheit zu wirtschaftlichen Benachteiligungen, und viele Einheimische arbeiten in schlecht bezahlten Jobs im Dienstleistungssektor. Zudem gibt es auf der Insel wenig Industrie und gut bezahlte Arbeitsplätze.

 

Präfektur Aomori – Region des wirtschaftlichen Abschwungs

Die Arbeitslosenquote in Aomori liegt weitaus höher als der nationale Durchschnitt. Die Region leidet seit dem Niedergang der lokalen Landwirtschaft und Fischerei unter einer hohen Abwanderung junger Menschen in die Metropolen des Landes und der damit verbundenen Überalterung der Bevölkerung. 

Ein gutes Beispiel ist die Stadt Hachinohe, einstmals bekannt für ihre Fischereiindustrie. Mit dem Sinken Fangquoten aufgrund billigerer internationaler Konkurrenz in den 1980ger Jahren stieg die Arbeitslosigkeit und die Abwanderung begann ein ernsthaftes Problem zu werden. Seit dieser Zeit stehen in und um Hachinohe viele Häuser leer und verfallen. 

 

Präfektur Akita – Entvölkerung und Altersarmut

Die Präfektur Akita ist eine der am schnellsten schrumpfenden Präfekturen Japans. Die Probleme auch hier: ein hoher Altersdurchschnitt, kaum Industrien oder Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft. Hinzu kommt in Akita ein geringes Pro-Kopf-Einkommen. Das macht es der Region schwer, trotz großartiger Landschaften und vielen noch gelebten Traditionen, ihre junge Bevölkerung zu halten.

 

Präfektur Kagoshima – Strukturschwache Gebiete im Süden

Kagoshima gehört zu den wirtschaftlich schwächeren Präfekturen auf Kyushu. Der Tourismus konzentriert sich auf einige wenige Gebiete (z. B. Yakushima-Insel), während ländliche Gegenden kaum Einkommen erzielen. 

Die Vulkaninsel Sakurajima, nahe der Stadt Kagoshima beispielsweise, zieht zwar Touristen an, doch die Infrastruktur auf den umliegenden Inseln und ländlichen Dörfern ist veraltet, und junge Menschen ziehen in andere Regionen.

 

Präfektur Kochi – Schwache Infrastruktur und Arbeitsmangel

Auch Präfektur Kochi auf der Insel Shikoku hat anhaltende wirtschaftliche Probleme. Auch hier gibt es kaum industrielle Entwicklung außerhalb des landwirtschaftlichen Sektors. Viele Dörfer sind zudem nur schwer erreichbar und haben eine unzureichende Infrastruktur.

Kochi ist zwar landschaftlich reizvoll, doch wirtschaftlich kaum konkurrenzfähig. Ohne industrielles Zentrum arbeitet der überwiegende Teil der Bevölkerung in kleinen Familienbetrieben, die vorwiegend nur Mindestlohn zahlen können.

 

Besondere Brennpunkte in Großstädten: Nishinari-ku (Osaka) und San'ya (Tokio)

Auch in den großen Metropolen gibt es Stadtviertel mit extremer Armut:

Nishinari-ku in Osaka:

Die Gegend im Süden von Osaka gilt schon lange als sozialer Brennpunkt. Obdachlose und Tagelöhner gehören hier zum Stadtbild, die Unterkünfte sind oft heruntergekommen und extrem günstig.

 

San'ya in Tokio:

Tokios ehemaliges Arbeiterviertel ist heute ein Hotspot für günstige Schlafunterkünfte und somit Anziehungspunkt für Tagelöhner und Einkommensschwache. Viele Bewohner leben von kurzfristigen Jobs ohne jegliche Absicherung.

 

Auswirkungen der Armut in der japanischen Gesellschaft

Armut in Japan wirkt sich nicht nur finanziell, sondern auch auf sozialer und psychologischer Ebene aus. Besonders deutlich wird dies im Bildungsbereich: Kinder aus einkommensschwachen Familien haben häufig Schwierigkeiten, eine weiterführende Schulbildung oder ein Studium zu finanzieren. Dadurch werden ihre Zukunftschancen erheblich eingeschränkt, was den Kreislauf der Armut weiter verstärkt.

Auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Menschen mit geringem Einkommen oft unzureichend. Sie können sich teure medizinische Behandlungen oder regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen nicht leisten. Dies führt regelmäßig zu einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten und beeinträchtigt die Lebensqualität stark.

Darüber hinaus führt Armut häufig zu sozialer Isolation. Betroffene fühlen sich aufgrund finanzieller Not gesellschaftlich ausgegrenzt und werden häufig stigmatisiert. Besonders ältere Menschen, die allein leben und keine familiären Kontakte mehr pflegen, sind von Vereinsamung betroffen, was nicht selten auch ihre psychische Gesundheit belastet.

 

Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut

Die japanische Regierung hat Maßnahmen ergriffen, um Armut zu reduzieren::

  • Sozialhilfeprogramme: Es gibt finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Haushalte, jedoch sind diese Programme oft schwer zugänglich und stigmatisierend.
  • Bildungsförderung: Die Regierung fördert Programme, die Kindern aus armen Familien Zugang zu Bildung ermöglichen.
  • Unterstützung für Alleinerziehende: Es wurden Initiativen gestartet, um Alleinerziehenden den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.

So konnten in Japan bereits einige Erfolge in der Armutsbekämpfung erzielt werden. Im Jahr 2023 wurde beispielweise die Agentur für Kinder und Familien gegründet, die speziell auf die Bedürfnisse armer Familien eingeht. Erste Berichte zeigen bereits jetzt eine leichte Verbesserung der Kinderarmutsrate.

 

 

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Titelfoto © japanwelt

 

 

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