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Shokuhin Sanpuru – Fake Food Trend aus Japan

Restaurants werben in Japan stark um ihre Kunden. Das macht es für die Gäste mitunter schwierig, ein passendes Gasthaus auszuwählen. In Japan soll der Besucher sich vor dem Betreten ein möglichst gutes Bild von den angebotenen Gerichten machen können. In den Auslagen von japanischen Restaurants gibt es daher Kunstessen aus Plastik oder Wachs. Die angebotenen Speisen sollen eine optische Beurteilung erlauben, damit sich der potenzielle Gast mit einem besseren Gefühlt für das Restaurant entscheidet.

Shokuhin sanpuru (食品サンプ) sind japanische „Lebensmittelbeispiele“, die gerne in den Schaufenstern japanischer Restaurants und Bars ausgestellt sind. Die japanische Tradition geht auf das Jahr 1917 zurück. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Farbfotografie. Westliche Restaurants versuchten dennoch auf anderen Wegen, den Japanern die europäischen und amerikanischen Speisen näherzubringen. Das falsche Essen hat danach schnell auch in einheimischen Restaurants Anklang gefunden.

Der Legende nach geht Shokuhin sanpuru auf den Japaner Takizo Iwasaki zurück. Angeblich konnte der Künstler ein Omelett aus Kerzenwachs herstellen, welche so echt war, dass seine Frau Imitat und Original nicht mehr unterscheiden könnte. Iwasaki wurde zu dem größten Sanpuru-Hersteller Japans. Wirklich beliebt wurde das Fake-Essen erst nach dem zweiten Weltkrieg. Amerikanische Soldaten waren danach in Japan stationiert, konnten aber die Speisekarten nicht lesen. Die Fake-Speisen waren dann ein anschauliches Hilfsmittel.

Lebensmittelattrappen werden in Japan zur Kunstform

Sushi als japanisches Kunstessen
Fake Food für ein japanisches Sushi-Restaurant. Es wird möglichst detailliert nachgebildet. Foto: von Markus Winkler, via Unsplash.

Sanpuru ist heute ein Millionengeschäft, was jährlich weltweit wenigstens 75 Millionen Euro an Umsatz generiert. Die Kunstessen werden dabei sehr akribisch und künstlerisch in den Schaufenstern und Auslagen drapiert. Das Fake Food kann daher zuweilen den zehnfachen Preis vom echten Gericht kosten. In Japan ist Sanpuru somit deutlich mehr als einfaches Plastik-Essen, welches man vielleicht aus Europa kennt. Künstler versuchen die Speisen bestmöglich nachzubilden, damit die Gäste einen guten ersten Eindruck beim Besuch haben.

Wie entsteht das japanische Fake Food?

Reisgericht als japanisches Fake Food
Reisgerichte, Suppen, Nudeln und alle möglichen Beilagen werden als Kunstessen hergestellt, um Kunden anzulocken. Foto: von Markus Winkler, via Unsplash.

Die Erstellung der Shokuhin sanpuru erfordert zunächst eine Gipsform oder Silikonform des tatsächlichen Gerichts. Aus dem Grund wird die echte Speise vom Restaurant zunächst eingefroren. Daraus wird dann eine Form erstellt. Aus diesen Gussformen werden die rohen Lebensmittelattrappen aus Kunststoff gefertigt. Bis in die 1980er-Jahre wurde noch Wachs verwendet, die Unternehmen stellten dann jedoch auf Kunststoff um. Die rohen Attrappen müssen anschließend eingefärbt und bemalt werden.

Die Plastikmodelle werden zu einem großenteil in Handarbeit angefertigt. Sie müssen am Ende so geformt werden, dass sie wie das echte Gericht aussehen. Ungefähr 95% der Repliken werden noch von Hand gefertigt und von hochqualifizierten Künstlern bemalt. Die Kunstessen wurden zu einer echt japanischen Handwerkstradition. Neben den echten Gerichten haben die Künstler auch verschiedene Fotos zur Hand. Es werden nicht nur Pinsel zum Bemalen genutzt, sondern ebenfalls moderne Airbrush-Maschinen.

Sayuri Watanabe ist eine Fake-Food-Künstlerin in Japan. Für sie ist das bemalen des Kunststoff-Essens der wichtigste Schritt. Alleine die Farbe entscheidet darüber, ob das Fake Food echt aussieht. Ein schmackhaftes Aussehen ist zudem für die Restaurantbetreiber sehr wichtig, damit sie neue Kundschaft anlocken. Der richtige Glanz einer Lackierung ist daher ein Herzstück der Arbeit, die über die Köstlichkeit des Kunstessens entscheidet.

Ramen-Suppen, Reisgerichte mit Spiegelei, Gurken, Sushi und Meeresfrüchte – die Künstlerfirmen stellen alle nur erdenklichen Gerichte her. Es handelt sich teilweise um familiengeführte Unternehmen, die mehr als 50 Jahre existieren.

Kunststoff-Essen als moderne Kunst

Die Fake Food Unternehmen erhalten bereits Anfragen aus der Mode-Industrie. Aus Paris, New York und Belgien hat beispielsweise Fake Food Hatanaka Anfragen erhalten. Es wurden Halsketten mit Nudeln, Ringe mit Süßspeisen und sogar ein Gürtel mit Fake Speck verziert. Für das Unternehmen ist daher klar, dass sich Kunstessen vor allem dort durchsetzen, wo die moderne Kunst beliebt ist. Die Menschen müssen sich nur aufgeschlossen gegenüber neuen Darstellungsformen zeigen.

Wo entstehen die meisten Fake Lebensmittel in Japan?

Fisch-Tempura wurde aus Wachs nachgebildet
Gerichte mit Panade werden ebenfalls entsprechend des Originals designed. Foto: von Markus Winkler, via Unsplash.

Gujō Hachiman ist eine kleine Stadt in den Bergen. Sie ist drei Stunden Fahrt nördlich von Tokio. In der Stadt werden die meisten Shokuhin sanpuru von Hand hergestellt. Allerdings gibt es in Tokio direkt ebenfalls mittlerweile einige Hersteller von Lebensmittelrepliken, die sich vor allem im kleinen Viertel Kappabashi befinden. Das Viertel in Tokio gilt im Volksmund ohnehin als die japanische Hauptstadt für Küchengeschirr.

Die japanische Tradition hat ihren Preis

In Deutschland sind solche Fake-Gerichte eher selten anzutreffen. Die Berliner Künstlerin Silke Thoss hatte 2020 eine Kunstausstellung mit Fake-Produkten in einem Späti gestartet. Die Serie hieß damals „Esso To Go“ und sorgte vor allem in der Corona-Pandemie für ein wenig Aufsehen. Die Künstlerin verband falsche Produkte mit namhaften Rockbands als Kunst und verkauft ihre Kreationen. Der Erlös sollte dem berühmten „SO36“ zugutekommen, das seit der Pandemie um das Überlebende kämpft. Fake-Essen in Restaurants wäre daher in Deutschland eher undenkbar.

Ein Spiegelei auf Reis und Suppe
Gerichte mit Panade werden ebenfalls entsprechend des Originals designed. Foto: von PublicDomainPictures, via Pixabay.

In Japan ist das traditionelle Fake Food trotzdem ein Millionengeschäft. Für Japaner spielt der Anblick des Essens eine große Rolle. Einige Schätzungen in der Branche gehen sogar von einem Milliardenumsatz im Jahr aus. Die Plastiknachbildungen können dabei mehrere Millionen Yen kosten und sind meist viel teurer als das Original. Da jedoch die gefälschten Lebensmittel relativ lange halten und ansehnlich sind, haben die meisten Fake Food Hersteller mit stagnierenden Umsätzen zu kämpfen.

Die Unternehmen mussten sich umstellen. Daher gibt es in Japan in bestimmten Gegenden viele Sanpuru-Souvenirs wie Schlüsselringe, Magnete und Handyhüllen zu kaufen. Sie können bei der nächsten Japanreise vielleicht einmal darauf achten. Touristen wie einheimische Jugendliche finden es mitunter lustig, sich Sushi, Gurken oder auch Ramen auf das Smartphone oder an die Tasche zu heften. Falls Sie die Attrappen jedoch hungrig machen sollten, sind klassische Schlusselanhänger eher etwas für Sie.

Titelfoto: von FotoshopTofs, via Pixabay.

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