Trusted Shops zertifiziert + 49 (0)30 - 31 80 81 51
 

Shimenawa: Göttliche Grenzmarkierungen in Japan

Trotz der hoch technologisierten Gesellschaft gilt in Japan 90 Prozent der Bevölkerung als gläubig. Buddhismus und Shintoismus gehören zu den wichtigsten Religionen, wobei diese zum Teil vermischt wurden. Schreine und Tempel des Shintōismus spielen daher noch eine dominante Rolle. Ein wichtiger Bestandteil der Schreine sind Grenzmarkierungen für den Übergang von der Welt der Menschen in das Reich der Götter.

Shimenawa (注連縄) sind Grenzmarkierungen für den Raum der Götter. Es handelt sich dabei um geschlagene Taue aus Reisstroh, welche den Eintritt in den Raum der Kami (japanischen Gottheiten) markieren können. Sie hängen teilweise an den Torii (den Eingangstoren) von Shintō-Schreinen, können aber auch um heilige Bäume gelegt sein und zieren die Gürtel der höchstrangigen Sumōringer. Shimenawa werden auch häufig als Götterseile benannt.

Wo liegen die Ursprünge der japanischen Shimenawa-Kultur?

Die ältesten japanischen Schriftwerke Kojiki (circa 712 geschrieben) und das Nihonshoki (um 720) zeigen die eigentlichen Wurzeln des shimenawa auf und geben den Entstehungsmythos wieder.

Der Legende nach soll die Bezeichnung auf Amaterasu, die Sonnengöttin, zurückgeführt werden können. Sie fühlte sich von dem Benehmen ihres Bruders Susa-no-O-no-Mikoto, dem Gott des Windes und des Meeres, beleidigt. Aus Wut hat sie sich in eine Felshöhle zurückgezogen, wodurch das von ihr ausgehende Licht die Erde nicht mehr erreichen konnte.

Japanisches Götterseil mit Papierkunst
An das Shimenawa wird Papierkunst (shide) gehangen, die immer zickzackförmig aussieht. Foto: von spoony mushroom, CC BY-NC-SA 2.0, via flickr.

Die Erde war damit in Dunkelheit gehüllt, was die anderen Götter veranlasste, sie wieder hervorzulocken. Als sie durch die Lockrufe ein Stück aus der Höhle hervorgetreten war, spannte Futo-Tama no Mikoto ein shiri-kume-nawa (斯利久迷繩) zur Versieglung der Höhle. Es war die erste Version des Shimenawa, die verhindert hat, dass sich die Sonnengöttin je wieder aus der Welt zurückzieht.

Wörtlich übersetzt bedeutet shiri-kume-nawa (尻久米縄) so viel wie „nach hinten geflochtenes Strohseil“, zumindest stammt diese Bedeutung aus dem Kojiki. Das Nihonshoki nutzt jedoch für das shiri-kume-nawa die Schreibweisen 端出之縄 oder 左縄端出. Dort ergibt sich die Bedeutung „Strohseil mit heraushängenden Enden“, was sich wohl auf heraushängende Wurzeln bezieht, die durch Verflechtung von Halmen erstellt wurden

Die Herstellung der japanischen Götterseile

Die heutigen Shimenawa gibt es in unterschiedlichen Formen, Größen und Designs. Manchmal handelt es sich um dünne Seile aus Reisstroh, von denen zickzackförmiger Papierschmuck (shide) herabhängt. Das eindrucksvollste Modell hängt jedoch auf dem Gelände des Izumo Taisha Shintō-Schreins in der Präfektur Shimane. Es ist das größte Götterseil in ganz Japan mit einer Länge von 13,5 Metern und einem Gewicht von 4,5 Tonnen. Es ist an einigen Stellen 8 Meter breit. Alle sechs bis acht Jahre wird es von freiwilligen Helfern erneuert.

Shimenawa zwischen zwei Steinen
Götterseil vom Izumo Taisha Shintō-Schrein in der Präfektur Shimane. Das größte Shimenawa in ganz Japan. Foto: von Auntmasako via pixabay.

Die meisten Schreine benötigen jährlich ein neues Götterseil. Das Reisstroh, was verwendet wird, stellt zumeist ein Abfallprodukt aus der Herstellung anderer Güter wie Tatamis dar. In einigen Schreinen sind dafür die männlichen Mitglieder der Gemeinde verantwortlich, welche sie in einer Dezemberwoche herstellen. Standard Shimenawa sind 4 bis 5 Meter lange Taue, die etwa 25 bis 35 Zentimeter dick sind. Für die Herstellung braucht es 10 Männer, welche das Reisstroh aus dem aktuellen Jahr verwenden.

Zunächst wird das Stroh von den Ähren befreit. Wenn dies geschafft ist, wird mit der Fertigung der ersten 10 bis 15 cm starken Kardeele begonnen. Das Reisstroh wird dafür um einen dicken Strohballen gewickelt, damit die gewünschte Länge erreicht werden kann. Am Ende werden für ein Shimenawa drei Kardeele benötigt sowie eine Seele als Bambusstab. Der Stab soll dabei ein Aufdrehen des späteren Shimenawa verhindern. Der Bambusstab wird dabei über einen Draht fest mit den Kardeelen verbunden.

Für den letzten Arbeitsschritt werden die Enden an einer drehbaren Achse befestigt. Danach müssen die Kardeele einzeln von 2 bis 3 Männer verdreht werden. Entsprechend der Tradition wird rechtsherum gedreht. Dabei wird die Achse mit Bambusstab aber so gedreht, dass sich die Kardeele linksherum um den Stab wickeln. Durch die unterschiedlichen Drehrichtungen wird erreicht, dass sich trotz der Doppelwendel die Strohhalme parallel zur Richtung des Taus verlaufen. Während die Anbringung des Shimenawa ein Ritual ist, hat die Herstellung eher den Charakter eines Arbeitseinsatzes innerhalb der Gemeinschaft.

Verwendung im Shintōismus, Hausgebrauch und beim Sumō

Die Taue werden zur Begrenzung von göttlichen Räumen genutzt. An Eingängen zu den Schreinen an Torii aber auch an anderen heiligen Orten sind sie aus diesem Grund zu finden. Selbst um Bäume oder Felsen können sie gewickelt werden. Ein beeindruckendes Bild bietet das Götterseil an zwei Steinen des Meoto-Iwa („vermählte Felsen“).

Shimenawa zwischen zwei Steinen
Die Meoto-iwa, die vermählten Steine, zeigen das bekannteste Shimenawa und sind ein Anzugspunkt für Touristen. Foto: von Smaku, CC BY-NC-ND 2.0, via flickr.

Shimenawa werden mit Fruchtbarkeitsriten in Verbindung gebracht und symbolisieren unter anderem die Bande zwischen Mann und Frau – die Sexualität – welche in der Landwirtschaft mit der Fruchtbarkeit des Bodens verbunden wird. Die Steingruppe ist Teil des Futami Okitama Schreins in der Bucht von Ise. Die Felsen und die Bucht werden damit als heiliger Ort gekennzeichnet.

Hausschreine sogenannte Kamidana werden ebenfalls mit einem Shimenawa geschmückt. Meist werden sie aber nur aus dünnen Fäden angedeutet, wobei einige auch mehr als 2 Meter Durchmesser besitzen. Kleine Modelle werden auch gerne zu Neujahr als Schutz vor Krankheiten und dem Bösen über Hauseingänge oder Eingangstore gespannt.

Im Bereich des Sumō spielen Shimenawa und shide ebenfalls eine große Rolle. Der Sumō-Ring wird beispielsweise von einem shimenawa umschlossen. Zudem erscheinen die Ringer mit prächtigen Schürzen. Der ranghöchste Ringer wird dabei Yokozuna genannt und trägt zusätzlich einen Shimenawa. Yokozuna kann mit „Querseil“ übersetzt werden, womit sich der Rang auf das Privileg des Ringers zum Tragen dieses Götterseils bezieht. Beim Sumō wird das Seil aber als Sitz einer Gottheit angesehen.

Shimenawa haben in der japanischen Kultur auch heute noch eine besondere Bedeutung. Aus dem Grund sollte man zumindest ein wenig über die Götterseile wissen, damit man sie auch entsprechend würdigen kann. Das jährliche Ritual der Anbringung sollte man dabei nicht außeracht lassen.

Titelfoto: von koshinuke_mcfly, via pixabay.

Mehr zum Thema:

Shintō-Schrein: Wie funktioniert die japanische Religion?

Religionen in Japan

Pilgern in Japan - von Shikoku bis Kyoto

Passende Artikel

Kommentar schreiben

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.

  1. Paravent, Futon und Tatami in Berlin bei Japanwelt online günstig kaufen
  2. Blog