Warum ist Japan wirtschaftlich so erfolgreich?
Japans Wirtschaft einfach erklärt
Japan gilt nicht zu Unrecht als wirtschaftliche Großmacht. Mit dem drittgrößten Bruttoinlandsprodukt (BIP – Deutschland steht an Stelle 4) bei einer Bevölkerung von ca. 125,68 Millionen liegt es nur hinter China und den USA zurück. Die spiegelt sich in verschiedenen vergleichenden Indizes wieder, die Japan auf Platz neun von 137 Ländern für die Wettbewerbsfähigkeit (Global Competetiveness Index) und auf Platz 40 von 180 Ländern für wirtschaftliche Freiheit (Index für wirtschaftliche Freiheit) platzieren.
Die wirtschaftliche Strategie Japans setzt heute nicht rein auf Wachstum, sondern auf eine Art Balance zwischen wirtschaftlicher Prosperität, sozialem Ausgleich und der Ermöglichung eines hohen Lebensstandards für einen Großteil der Bevölkerung.
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Viele japanische Unternehmen sind schon seit dem 19. Jahrhundert aktiv. Hier das Gebäude der Marufuku Nintendo Card Company aus dem Jahr 1889 in Kyoto.
Foto © By 株式会社灰孝本店 許諾, Public Domain, wikimedia
Die im Vergleich eher bescheidene Platzierung bei dem Index für wirtschaftliche Freiheit hat dabei sowohl historische als auch protektionistische Gründe. Japan setzte nach der Erholung seiner Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg früh auf eine protektionistische Außenhandelspolitik, die den Wettbewerb von Gütern, die in Japan hergestellt wurden und werden teils stark einschränkte.
Zudem setzt man Japan ähnlich wie in Deutschland oder Frankreich auf eine Variante der freien Marktwirtschaft, die weit deutlich mehr reguliert ist, als dies z.B. in den USA der Fall ist. Allerdings gab es in diesem Bereich in den 2000er Jahren einige Anstrengungen zur Deregulierung.
6 Gründe warum Japans Wirtschaft so erfolgreich ist
Die hier aufgezählten 6 Gründe für den Erfolg der japanischen Wirtschaft können sowohl einzeln als auch im Zusammenhang betrachtet werden. Insgesamt ist es natürlich das Zusammenspiel der Faktoren sowie die spätestens seit den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgte Etablierung Japans auf dem Weltmarkt, die den nachhaltigen Erfolg der japanischen Wirtschaft ausmachen.
Wie andere Industrieländer auch profitiert Japan von seiner sozusagen historisch gewachsenen Rolle als eine der größten Volkswirtschaften.
1. Die Rolle der Regierung
Die japanische Regierung setzt seit dem Ende des 2. Weltkrieges darauf, lenkend in das wirtschaftliche Geschehen des Landes einzugreifen. Dies umfasst neben Subventionen und der Identifizierung von Schlüsselindustrien (die über die Zeit gewechselt haben) auch eine teils protektionistische Außenhandelspolitik, um die eigene Wirtschaft auf dem Binnenmarkt vor ausländischer Konkurrenz zu schützen.
2. Fokus auf Exporte
Der Fokus auf Exporte setzte in Japan früh ein und ging zu Beginn Hand in Hand mit einer den eigenen Binnenmarkt abschirmenden, protektionistischen Außenhandelspolitik. Heute setzt Japan eher auf Innovation und hochtechnologische Produkte, die sich auf dem Weltmarkt wie auf dem Binnenmarkt problemlos gegen die Konkurrenz behaupten können.
Allerdings hat sich die japanische Handelsbilanz seit den 2010er von einem Überschuss an Exporten zu einem unsteten Defizit verschoben mit einem neuen historischen Defizit-Höchststand im Jahr 2022.
3. Innovation und Anpassung: Investition in Forschung
Nach einer spektakulären Aufholjagd nach dem 2. Weltkrieg steht Japan heute mit an der Spitze bei Innovationen und Forschung. Dafür investiert Japan massiv in die Forschung, insbesondere in die Hochtechnologie wie Robotik, Computerchips und Halbleiter.
Im FuE (Forschung und Entwicklung) Investitions Index liegt Japan mit Gesamtausgaben von 177 Milliarden US Dollar im Jahr 2021 auf Platz drei hinter China und den USA, die den ersten Platz einnehmen. Dabei spielen neben staatlichen Investitionen aber auch das starke Engagement der privaten Unternehmen bei der Investition in Forschung und Entwicklung eine herausragende Rolle.
4. Das Keiretsu-System
Unter Keiretsu (系列) oder dem Keiretsu-System versteht man den Zusammenschluss von Unternehmen zu „wirtschaftlichen Verbundgruppen“, bei denen die teilhabenden Unternehmen rechtlich eigenständig aber wirtschaftlich voneinander abhängig sind.
Dabei gibt es keine klare und alleingültige Definition für Keiretsu, sondern diese werden in der Regel über einen ganzen Katalog von Merkmalen identifiziert: Dies kann beispielsweise eine Hausbank, ein Generalhandelshaus für Exporte und Handel im Inland, das gegenseitige Halten von Aktien oder das Vorziehend er Vergabe von Aufträgen innerhalb er Gruppe sein.
Unterschieden wird dabei zwischen horizontalen und vertikalen Keiretsu. Die horizontale Variante ist durch Handelsbeziehungen, Banken und gegenseitiges halten von Unternehmensanteilen gekennzeichnet.
Das vertikale Keiretsu beschreibt die Beziehung zwischen einem Endhersteller oder Handelsunternehmen sowie deren Zulieferern. Vorgänger des Keiretsu-Systems waren die Zaibatsu (財閥), riesige Handels- und Industriekonzerne, die vor 1945 Japans Wirtschaft dominiert haben und die während der alliierten Besetzung Japans unter General Douglas MacArthur (USA) zerschlagen wurden.
5. Japans Arbeitsmoral und Kultur
Wenn vom Erfolg der japanischen Wirtschaft gesprochen wird, kommt irgendwann das kulturell verwurzelte Arbeitsethos der Japaner zur Sprache. Dabei wird in anderen Ländern nicht selten mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid auf dieses Phänomen geblickt.
Auf der anderen Seite führt die große und hingebungsvolle Loyalität und Identifikation des durchschnittlichen japanischen Arbeitnehmers zu seinem Unternehmen auch zu teils schwerwiegenden Gesundheitsproblemen bis hin zum Tod. Die Identifikation mit dem Unternehmen und der Wille, sich ganz einzubringen gehen in Japan zudem mit meist recht schlanken Management-Strukturen einher.
6. Japans starkes Bildungssystem
Japans Bildungssystem gehört weltweit zur Spitzenklasse. Dies zeigt sich auch in den Top Platzierungen bei den regelmäßigen internationalen PISA Studien, bei denen Japan regelmäßig in den Top 5 rangiert (2021 Rang 2).
Im japanischen Schulsystem gibt es kein Sitzenbleiben und das, was die Japaner den „Ganbaru-Spirit“ nennen: nicht aufgeben und sein Bestes geben. Auch hier spielt die kulturelle Eigenheit Japans eine Rolle, auch wenn der Leistungsdruck, den sich die Schüler vor allem oft selber machen, teils natürlich auch negative Auswirkungen haben kann.
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Das japanische Bildungssystem gilt als eines der besten weltweit.
Foto © Stephanie Hau auf Unsplash
Die Entwicklung der japanischen Wirtschaft
Ähnlich wie in Deutschland entstand die moderne japanische Wirtschaft aus den Trümmern des kriegsversehrten Landes nach der Kapitulation im 2. Weltkrieg. Was in Deutschland das „Wirtschaftswunder“ war, entstand mit einer leichten zeitlichen Verschiebung auch in Japan, wo der Aufschwung vor allem in den späten 60er Jahren so richtig Schwung aufnahm.
Einschneidende Ereignisse danach waren die Ölkrise in den Jahren 1973 und 1974, die Japan als auf die Einfuhr von Rohstoffen angewiesenes Land besonders hart traf. In den ausgehenden 1990er Jahren traf Japan eine Rezession und in den späten 2000er hatten tiefgreifende Reformen, mit denen Teile des Wirtschaftslebens deutlich liberalisiert wurden, einen wichtigen Einfluss.
Daneben kämpft Japan aktuell mit der am weitesten fortgeschrittenen Alterung der Gesellschaft unter den Industriestaaten.
Japans Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem 2. Weltkrieg und der Zerschlagung der Zaibatsu, die bis dahin Japans Wirtschaft wesentlich bestimmt hatten, sowie den anderen durch die Besatzungsmacht USA verordneten Reformen zur Demokratisierung Japans, wurde der Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft zum nationalen Leitbild. Als Schlüsselindustrien wurden zu Beginn die Energie-, Schwer- und Grundstoffgüterindustrie vom Staat subventioniert und gefördert.
Ein großer Vorteil auf mittelfristige Sicht war dabei die hohe Sparquote der japanischen Haushalte, die den Unternehmen genügend Zugang zu notwendigem Kapital garantierten. Insgesamt kann man die Zeit bis 1973 mit durchschnittlichen Wachstumsraten von um die zehn Prozent als die japanische Wiederaufbau- und Hochwachstumszeit bezeichnen.
Japans Aufstieg zur Wirtschaftsmacht
Japans Aufstieg zur Wirtschaftsmacht begann Ende der 60er Jahre Fahrt aufzunehmen und fand in der Ölkrise 1973/74 sowie durch mehrere, teils katastrophale Umweltschäden (z.B. Minamata) ihre ersten großen Herausforderungen.
Diese Faktoren führten zu einem Strukturwandel und der Erlassung von Umweltgesetzen, die lange Zeit vorbildhaft waren, sowie der frühen Verpflichtung zu einer energiesparenden Industrieproduktion. Auch der Fokus der Schlüsselindustrien verlagerte sich damit weg von den teils sehr energieintensiven Sparten Schwer- und Grundstoffindustrie hin zu Elektronik, Konsumgüterproduktion und Automobilindustrie sowie Hochtechnologie.
Eine echte Hochphase erreichte die japanische Wirtschaft in den späten 80er Jahren durch hohe Infrastrukturinvestitionen, niedrige Leitzinsen und galoppierende Börsenkurse. Das Ende dieser heute als „Bubble Economy“ gekennzeichneten Phase begann mit den Leitzinserhöhungen im Jahr 1989 und dem darauffolgenden Börsencrash, der zu einer langanhaltenden Rezession in Japan führte.
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Die japanische Gesellschaft ist traditionell technologieverrückt.
Foto © Andy Kelly, unsplash
Wie sieht Japans Wirtschaft heute aus?
Japans Wirtschaft heute unterschiedet sich stark von den Anfängen nach dem 2. Weltkrieg. Neben einer deutlich stärkeren Konzentration auch auf den Binnenmarkt bei gleichzeitiger Öffnung des Binnenmarktes für ausländische Unternehmen und Produkte wird auch ein immer stärkerer Fokus auf Hochtechnologie, Neue Technologien und Digitalisierung gelegt.
Zudem wurden zu Beginn der 2000er Jahre einige Aspekte des Wirtschaftslebens deutlich liberalisiert. Dies alles sollte zu höherem Wachstum führen, insgesamt liegt dieses in Japan aber meist noch unter dem anderer Industriestaaten zwischen 1 und 2 Prozent pro Jahr und kippt manchmal sogar ins Negative.
Damit verhält sich das voll ausgebaute und sozusagen bis an die Grenzen des Machbaren optimierte Wirtschaftssystem Japans kaum anders, als die vergleichbaren Systeme in Europa oder – mit größeren Ausschlägen – in den USA. Trotz der geringen Wachstumsraten ist Japan auch heute noch die drittgrößte Wirtschaftskraft der Welt, solange man die europäische Union nicht als einen einzigen Wirtschaftsraum betrachtet, dann wäre Japan auf Platz vier.
Für die Zukunft sieht Japan sich neben den geringen Wachstumsraten und der damit einhergehenden steigenden Staatsverschuldung vor allem mit der immer weiter zunehmenden Alterung seiner Gesellschaft konfrontiert. In Japan wächst dieses Problem nicht nur wegen einer besonders hohen Lebenserwartung bei gleichzeitig stagnierenden Geburtenraten schneller, als in anderen Ländern, sondern auch, weil es kaum Einwanderung gibt.
Was sind die wichtigsten Wirtschaftssektoren Japans?
Die wichtigsten Wirtschaftssektoren in Japan sind aktuell:
- Automobilindustrie
- Elektronik und Halbleiterproduktion
- Maschinenbau
- Schwerindustrie
- Chemie- und Pharmaindustrie
- Finanzdienstleistungen
Neben diesen Top 6 spielen auch die Landwirtschaft (stark subventioniert), Dienstleistungen und Tourismus sowie die Energieproduktion gesamtwirtschaftlich eine wichtige Rolle.
Probleme in der Wirtschaft Japans
Die mit Sicherheit größte Herausforderung für Japans Wirtschaft stellt die schon angesprochene Alterung der Gesellschaft dar. Dies führt zu einer schrumpfenden Arbeitsbevölkerung gegenüber einer immer größer werdenden Anzahl von Rentnern bzw. Leistungsbeziehern.
So entsteht zwangsläufig ein Ungleichgewicht, das entweder durch höhere Steuern oder längere Lebensarbeitszeit ausgeglichen werden muss. Selbst dies mag aber nicht auf Dauer möglich sein.
Daneben ist historisch vor allem die Rohstoffabhängigkeit der japanischen Wirtschaft eine Achillesferse. Als Inselstaat mit kaum substantiellen natürlichen Ressourcen ist Japan bei vielen Rohstoffen (z.B. Öl, Metalle, chemische Grundstoffe etc.) fast vollkommen von Importen abhängig und so den Preisschwankungen am Weltmarkt erst einmal ungeschützt ausgesetzt.
Die Wichtigkeit dieser Abhängigkeit hat sich durch die Internationalisierung der Rohstoffmärkte nicht verändert, stellt aber die Konkurrenz unter den Industriestaaten weitgehend vor dieselben Probleme, da sie in der Regel alle zu denselben Preisen einkaufen müssen.
Zuletzt kann man die niedrigen Wachstumsraten, wie sie auch in anderen hochindustrialisierten Ländern zu beobachten sind, als problematisch auffassen. Allerdings kann man dieses Phänomen auch alternativ betrachten und andere Faktoren höher werten, um ein vielleicht kompletteres, wenn auch komplexeres Bild einer Volkswirtschaft zu erhalten.
Zuletzt muss man diese Probleme auch als Chancen ansehen und Japan tut sich hier mit seinem exzellenten Bildungssystem, sehr hoher Automatisierung und einer zumindest zu einem Gutteil auf Zukunftstechnologien ausgelegten Industrie insgesamt positiv hervor.
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