Trusted Shops zertifiziert + 49 (0)30 - 31 80 81 51
 

Japanische Armee – zwischen Selbstverteidigung und Neuausrichtung

Die japanische Armee oder Selbstverteidigungsstreitkräfte (自衛隊, Jieitai) entstand in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seitdem ist die japanische Armee in der japanischen Gesellschaft hoch umstritten. Der Grund dafür ist vor allem das kollektive Trauma des verlorenen Weltkrieges mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Aber auch der verfassungsrechtlich verankerte Pazifismus in Japan, mit der eine Armee nur schwer zu vereinbaren ist und auch die über die Jahre gewachsene, pazifistische Einstellung vieler Japaner.

In der japanischen Armee (eigentlich nur als Selbstverteidigungskräfte bezeichnet) begann ab 2011 trotz dieser Kontroversen ein teils von Massenprotesten begleiteter Strategiewechsel. Mit mehreren Budgeterhöhungen und der Anschaffung von Waffensystemen, die nicht nur der reinen Verteidigung dienen, deutet sich Umbruch in der Verteidigungspolitik Japans an.

 

 

Die japanische Self Defense Force – die Selbstverteidigungsstreitkräfte

Die japanische Armee nennt sich seit den 50er Jahren aufgrund der pazifistischen Verfassung des Landes Jieitai (Selbstverteidigungsstreitkräfte). Die Entstehung erfolgte dabei in mehreren Schritten und auf Druck der USA, die spätestens mit dem Ausbruch des Koreakrieges (1950-1953) Japan dazu drängten, einen Beitrag zur eigenen Verteidigung wie zur Unterstützung der „Schutzmacht“ USA zu leisten.

Den Anfang machte 1952, nach Wiedererlangung der Souveränität Japans, eine Umwandlung der 1950 geschaffenen nationalen Polizeireserve in Sicherheitskräfte. Die Selbstverteidigungskräfte wurden dann 1954 nach der Unterzeichnung der gegenseitigen Verteidigungsvereinbarung (総合防衛援助協定, sōgō bōei enjo kyōtei) zwischen den USA und Japan in eine eigene Behörde überführt. Ein eigenes Verteidigungsministerium mit eigenem Minister wurde erst 2007 ins Leben gerufen.

 

Die Truppenteile der japanischen Armee

Die japanische Armee besteht heute aus drei Truppenteilen:

  • Bodenstreitkräfte,
  • Marinestreitkräfte,
  • Luftstreitkräfte.

Jeder Truppenteil hat dabei seine eigenen Aufgaben, wobei besonders die Marine einen wichtigen Beitrag leistet. Die japanische Marine hat eine ähnliche Truppenstärke wie die Luftstreitkräfte, ist aber deutlich kleiner als die Bodenstreitkräfte.

 

Japanische Armee Luftstreitkräfte Kampfjet

Cockpit eines Kampfjets der japanischen  Luftstreitkräfte auf einer Flugshow in Hamamatsu, Präfektur Shizuoka auf Honshū.
Foto © FranckinJapan auf Pixabay 

 

Neben der Abwehr von U-Booten und Flugzeugen verfügt die japanische Marine auch über offensive Kapazitäten, darunter die Helikopterträger Izumo und Kaga, die ab 2018 (Izumo) bzw. 2022 (Kaga) zu vollwertigen Flugzeugträgern für Senkrechtstarter umgerüstet werden.

 

Wie stark ist japanische Armee im internationalen Vergleich?

Die japanische Armee bzw. die Selbstverteidigungsstreitkräfte verfügt über eine Truppenstärke von insgesamt 247.150 Soldaten (Stand 2018). Hinzu kommt eine Reserve von rund 56.000 Reservisten (2018). Von diesen fallen 148.302 Soldaten auf die Bodenstreitkräfte, 44.528 Soldaten auf die Marinestreitkräfte und 45.913 Mann auf die Luftstreitkräfte, die über 280 Kampfflugzeuge verfügt.

Im internationalen Vergleich liegt die japanische Armee in Hinsicht auf die Truppenstärke in etwa auf Platz 24 oder 25 und damit knapp vor Deutschland mit Platz 26 und etwa 184.000 aktiven Soldaten. Im so genannten „Power Index“, der die Schlagkraft von Armeen bewertet, erringt Japan hingegen Platz 7 (Deutschland: Platz 9). Das seit dem Jahr 2013 stetig wachsende Militärbudget Japans ist heute das neuntgrößte der Welt. Das ist ziemlich viel für ein Land mit einer eigentlich pazifistischen Verfassung, die den Aufbau einer Armee an sich verbietet.

 

Die Geschichte der japanischen Armee

Die Geschichte der modernen japanischen Armee beginnt mit der Meiji-Restoration (ab 1868) und den mit dieser einhergehenden Reformen. Umfassende Neuerungen formten zu dieser Zeit aus der vorher immer noch eher feudal organisierten japanischen Heeresstruktur innerhalb von wenigen Jahrzehnten eine moderne Armee.

Dabei spielten für das Heer das Vorbild preußischer Offiziere eine wichtige Rolle, während die Marine vor allem durch Ausbildung von Offizieren und den Kauf moderner Schiffe in Großbritannien modernisiert wurde. Die erste große und erfolgreiche Bewährungsprobe stellte der von Japan angefangene Russisch-Japanische Krieg (1904-1905) dar, bei dem ein asiatisches Land erstmals eine europäische Großmacht besiegte. Bis 1945 hießen die japanischen Streitkräfte „Kaiserlich Japanische Armee“.

 

Die japanische Armee im ersten Weltkrieg

Japan stand im 1. Weltkrieg an der Seite der Alliierten (Frankreich, England, USA etc.) und kämpfte gegen Deutschland und Österreich-Ungarn. Aufgrund der räumlichen Distanz beschränkten sich die Kampfhandlungen der Japaner aber hauptsächlich auf die Annexion deutscher Kolonien in China (z.B. Tsingtau). Ein gemeinsamer Vorstoß mit den USA nach Sibirien (Wladiwostok) im Jahr 1918 hatte langfristig keinen Erfolg.

 

Die Kaiserliche japanische Armee im Zweiten Weltkrieg

Der 2. Weltkrieg fällt zusammen mit dem Höhepunkt der imperialistischen Bestrebungen Japans. Bis 1939 hatte Japan neben Korea und der Mandschurei auch noch weitere Teile Chinas besetzt. Nach dem Angriff auf Pearl Harbour 1941, der den Kriegseintritt Japans markierte, wurden bis 1942 neben den Philippinen, Burma, französisch-Indochina auch Britisch-Malaya (Singapur und Hinterland) sowie weite Teile Indonesiens dem japanischen Kolonialreich eingegliedert

 

Japanische Armee im 2. Weltkrieg

Japanische Marinesoldaten im Kampf während der verlustreichen Okinawa-Schlacht
Foto © Welcome to All !  auf Pixabay 

Nach der Schlacht von Midway im Juni 1942 und dem Verlust von vier Flugzeugträgern befand sich Japan in einem immer schwieriger werdenden und für beide Seiten verlustreichen Verteidigungskrieg, der im Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August gipfelte. Japan kapitulierte kurz darauf bedingungslos am 2. September 1945, nachdem der Tennō Hirohito schon am 15. August in einer Rede das Ende des Krieges verkündigt hatte.

 

Die Entwicklung der japanischen Armee seit 1945 und die pazifistische Verfassung

 

Warum darf Japan keine Armee haben?

Die im Jahr 1947 in Kraft getretene japanische Verfassung (日本国憲法, Nihon koku kempō) basiert auf einem Entwurf der Besatzungsmacht USA unter Berücksichtigung japanischer Vorschläge. Eine Besonderheit stellt vor allem Artikel 9 dar, indem sich Japan dem internationalen Frieden verpflichtet und der Aufbau von Boden-, See- und Luftstreitkräften sowie das Recht zur Kriegsführung ganz allgemein eigentlich explizit verboten wird.

Dieser Artikel fußt natürlich auf den traumatischen Erfahrungen Japans durch die Niederlage und hat seit je her eine breite Anhängerschaft unter der Bevölkerung. Andere, insbesondere konservative, Gruppen der japanischen Gesellschaft sehen in dem Artikel 9 demgegenüber eine Einschränkung der Souveränität, die sie nicht hinnehmen möchten.

 

 Japanische Armee Pazifismus Hiroshima

Der Atomic Bomb Dome im Hiroshima Peace Memorial Park erinnert die Japaner jederzeit an die verheerenden Auswirkungen des zweiten Weltkrieges.
Foto © Rap Dela Rea, Unsplash

 

Die explizite Benennung als Selbstverteidigungskräfte ist so gesehen auch vor allem ein Trick, trotzdem eine Armee aufbauen zu können – denn Selbstverteidigung wird in Artikel 9 der japanischen Verfassung nicht ausdrücklich untersagt. Trotzdem hat Japan bis in die 2000er Jahre an keinem Kriegseinsatz (abgesehen dem Stellen von UN-Blauhelm Kontingenten) teilgenommen.

Die japanische Armee ist dabei in Japan gar nicht unbeliebt. Allein der Umbau und Ausbau zu einer echten Armee wird sehr kontrovers gesehen und nicht selten von Massenprotesten von pazifistisch eingestellten Japanern begleitet.

 

Neuausrichtung und Aufrüstung der japanischen Selbstverteidigungskräfte ab 2011

Seit dem Jahr 2011 erhöht Japan das Budget für die Selbstverteidigungsstreitkräfte stetig. Hintergrund ist sowohl der erste Auslandseinsatz während des Irakkrieges 2004 als auch die insgesamt instabiler werdende geopolitische Lage im pazifischen Raum mit Russland und China als direkten Nachbarn. Vor allem China wurde durch seine teils aggressive Politik und Machtansprüche dabei als Gefahr angesehen, mit dem russischen Überfall auf die Ukraine im März 2022 ist aber auch Russland zu einem neuen, wichtigen Faktor geworden

 

 Japanische Marine Kriegsschiff

Die USS Blue Ridge im Hafen von Yokosuka, Japan
Foto © David Mark auf Pixabay 

 

Eine treibende Kraft hinter dem Ausbau der Selbstverteidigungskräfte war der am 8. Juli 2022 ermordete langjährige Premierminister (2012-2020) Shinzo Abe. Unter seiner Ägide wurde so zum Beispiel ein Gesetz verabschiedet, dass den Einsatz der japanischen Armee im Rahmen einer „kollektiven Selbstverteidigung“ auch im Ausland auf Bitte der UN oder anderer Institutionen ermöglicht.

In Japan spricht man diesbezüglich von „Kaketsuke Keigo“ (in etwa: herbeieilen und militärische Unterstützung geben). Zudem setzte sich Abe seit je her für höhere Militäretats ein und unter ihm begann der Umbau des Helikopterträgers Izumo zu einem vollwertigen Flugzeugträger sowie die vermehrte Anschaffung von nicht rein defensiven Waffensystemen. Eine von ihm geplante Verfassungsänderung, die den Artikel 9 reformieren sollte, konnte er während seiner Amtszeit hingegen nicht mehr durchsetzen.

 

Titelfoto: Besatzung eines Japanischen Flugzeugträgers in Yokosuka © David Mark, Pixabay 

 

Das könnte Sie auch interessieren:

Bedeutung und Geschichte der japanischen Flagge

Die Geschichte Japans seit dem 2. Weltkrieg: Das moderne Japan

Japanische Kultur: Dō – der „Weg“ der Japaner zu innerem Frieden

 

 

 

 

 

 

 

 

Passende Artikel

Kommentar schreiben

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.

  1. Paravent, Futon und Tatami in Berlin bei Japanwelt online günstig kaufen
  2. Blog