Takarazuka - Die japanische Traumfabrik
Seien wir ehrlich: In der kleinen Stadt Takarazuka zwischen Osaka und Kobe kann man nicht viel machen. Das dachte sich auch Ichizo Kobayashi, Gründer des Eisenbahnkonzern Hankyu, der seit 1910 das Streckennetz in der Kansai-Region betreibt. Die Stadt Takarazuka sah sich als letzte Station der viel genutzten Bahnstrecke von Osaka aus in einer verkehrsgünstigen Lage, doch der Ort bot kaum Attraktionen, für die es sich lohnte, aus der Bahn zu steigen. Das änderte sich, als Kobayashi die Takarazuka Revue gründete, die im Jahr 1914 ihren ersten Auftritt bestritt. Schon 1924 erreichte das Ensemble 2,5 Millionen Besucher im Jahr und auch jetzt, über hundert Jahre später, ist die Popularität der Takarazuka Revue ungebrochen.
Takarazuka – das Gegenstück zum Kabuki Theater?
- Die Takarazuka Truppen führen Broadway-Stücke, europäische Musicals oder japanische Stücke wie Kimi no Na wa auf.
Japanisches Theater wie Kabuki oder Noh hat eine lange Tradition, die bis in die Edo-Zeit oder weiter zurückreicht. Die Takarazuka Revue steckt im Gegensatz dazu scheinbar noch in den Kinderschuhen. Viele Elemente ähneln allerdings in den Grundzügen den traditionellen Theaterformen, andere Aspekte wurden ganz neu hinzugefügt. Wie im Kabuki ist Takarazuka eine Mischung aus Schauspiel, Gesang und Tanz und die Schauspieler haben alle das gleiche Geschlecht. Während beim Kabuki allerdings nur Männer auf der Bühne stehen, bestreiten seit jeher ausschließlich Frauen die Stücke der Takarazuka Revue. Selbst männliche Rollen werden von den Damen übernommen. Tatsächlich ist es sogar so, dass die männliche Hauptrolle die wichtigste und beliebteste Position in jeder der Theatertruppen ist und von den Takarazuka Fans am meisten gefeiert wird.
- Im Grand Theater in Takarazuka werden die Musicals und Revuen aufgeführt. - Bild: © 663highland - commons.wikimedia.org - Lizenz: CC-BY-SA
Die Ausbildung der Takarazuka Sängerinnen dauert zwei Jahre – nach dem ersten Jahr erfolgt die Einteilung in Musumeyaku (weibliche Rollen) und Otokoyaku (männliche Rollen). Dabei sind neben Oktavenstärke und Stimmlage auch die Größe und Statur der Schauspielerin wichtig. Nach ihrer Ausbildung schließen sich die Künstlerinnen einer der Takarazuka Gruppen an: Hana (Blume), Tsuki (Mono), Yuki (Schnee), Hoshi (Stern) oder Sora (Kosmos). Jede Gruppe hat ihren eigenen Stil und so unterscheiden sich die aufgeführten Stücke voneinander, selbst wenn zwei Gruppen das gleiche Stück umsetzen. Mittlerweile wird das Image der Gruppen von ihrem jeweiligen männlichen Hauptstar geprägt – tatsächlich werden die Theaterstücke den beiden Top Stars der Truppe (eine Musumeyaku und eine Otokoyaku) auf den Leib geschrieben. Wer dabei welche Rollen übernimmt, bestimmen relativ strenge Hierarchien.
Was erlebt man bei der Takarazuka Revue?
- Seit der ersten Show im Jahr 1914 stellen die jungen Frauen des Takarazuka Theaters große Revuen auf die Beine.
Eine Vorstellung der Takarazuka Truppen besitzt zwei Teile: Zunächst kommen die Zuschauer in den Genuss einer aufwendigen Aufführung eines Theaterstücks oder eines Musicals, danach begeistern sie die Sängerinnen und Tänzerinnen in einer fulminanten Takarazuka Revue. Die ausgewählten Stücke reichen von japanischen Adaptionen wie "Kimi no Na wa" oder "Die Rose von Versailles" über bekannte europäische Musicals wie "Elisabeth" und "Me and my Girl" bis hin zu Broadway Produktionen wie "West Side Story". Aufgrund der emotionalen und ganz speziellen Umsetzung der Bühnenstücke, hat sich die Takarazuka Revue als Traumfabrik einen Namen gemacht.
- Die Kostüme der Takarazuka Revue sind schillernd und ausgefallen. - Bild: © emiton - photozou.jp - Lizenz: CC-NC-ND
Im Anschluss an das Stück können die Zuschauer eine bunte, westlich geprägte Revue erleben, in denen Tänzerinnen und Sängerinnen in opulenten Kostümen eine Mischung aus Broadway, Varieté und Kabarett auf die Bühne bringen. So begeistern sie nicht nur das japanische Publikum, sondern auch internationale Gäste, die aus Osaka, Kyoto oder Kobe einen Ausflug nach Takarazuka unternehmen. Die Revue an sich hat eine noch längere Tradition als die Schauspiele, die erst einige Jahre nach der Gründung der Takarazuka Gruppe auf die Bühne gebracht wurden. Selbst vor und während des zweiten Weltkrieges haben die Takarazuka Damen kontinuierlich ihre Revuen aufgeführt und so für kurze Momente der Unbeschwertheit in diesen dunklen Zeiten gesorgt. Die Traumfabrik war gefragter denn je. In den 1960ern und 1970ern sorgten dann die Aufführungen von Broadway Musicals dafür, dass die Popularität von Takarazuka noch einmal sprunghaft anstieg. Über die Jahre haben sich die Revuen und die Musical-Aufführungen gewandelt, sind dem Zeitgeist gefolgt und haben neue Akzente gesetzt. Da die Tickets für das Takarazuka Grand Theater auch für internationale Gäste erhältlich sind, sollten Japanreisende in der Kansai-Region unbedingt einen Besuch in Takarazuka einplanen, um das Bühnenspektakel mit eigenen Augen zu sehen.
Die Kunst von Osamu Tezuka und Tomioka Tessai erleben
- Das Osamu Tezuka Museum in Takarazuka ist nicht nur für Manga-Fans interessant. - Bild: © MASA - commons.wikimedia.org - Lizenz: CC-BY-SA
Wer Osaka oder Kyoto bereist, ist nur einen Katzensprung von Takarazuka entfernt. Neben der Takarazuka Revue bietet die Stadt Kunst- und Kulturliebhabern noch mehr Highlights. Manga-Fans kennen natürlich den Namen des Altmeisters Osamu Tezuka, der seine Kindheit und Jugend in Takarazuka verbracht hat. Seine Werke wie "Kimba, der weiße Löwe", "Metropolis" oder "Astroboy" sind vielen auch im Westen ein Begriff. Kein Wunder, denn Osamu Tezuka hat die Entwicklung von Manga und Anime sowie deren Rezeption über die Grenzen Japans hinaus maßgeblich beeinflusst. Ihm ist das Tezuka Osamu-Museum in Takarazuka gewidmet, in dem man all seine Werke sowie eine umfangreiche Ausstellung besichtigen kann. Übrigens hat Tezuka selbst die Takarazuka Revue besucht und die Erinnerung daran in seinem Manga "Ribon no Kishi" festgehalten.
Wer sich eher für traditionelle japanische Malerei begeistern kann, findet im Tessai Museum ein interessantes Ausflugsziel. Der Maler und Kalligraf Tomioka Tessai gilt als der letzte große Meister des japanischen Bunjinga-Stils und als Vorreiter des Nihonga-Stils. Über eintausend seiner Bilder können im Tessai Museum in Takarazuka bewundert werden. Das Museum selbst ist eigentlich ein Tempel, der gleichzeitig als detailgenaue und gut durchdachte Hommage an den Meister einen Besuch wert.
Durch die gute Verkehrsanbindung ist Takarazuka einfach von Osaka, Kyoto, Kobe und Himeji aus zu erreichen und für Kulturliebhaber und Musical-Fans definitiv einen Tagesausflug wert.
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