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Alte Menschen in Japan verblüffen Statistiker und Wissenschaftler

Willkommen zum ersten Teil unserer Okinawa-Reihe. In drei aufeinanderfolgenden Artikeln stellen wir die Inselgruppe und ihre Besonderheiten vor, berichten über das Altern in Japan, über Okinawa als Japans tropisches Paradies und spedieren Ihnen am Ende noch ein Rezept aus Okinawa: Goya-Chanpuru!

Okinawa ist etwas anders als der Rest Japans. Es ist eine Insel, die vom japanischen Mutterland fast ebenso weit entfernt liegt wie Taiwan. Die Menschen hier lebten lange Zeit in einem eigenen Königreich und waren schon immer darauf bedacht, fremden Besuchern zu verdeutlichen, dass sie nicht in Japan, sondern auf Okinawa sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Insel zum größten Stützpunkt der USA in dieser Region und beherbergt noch heute den Großteil der dort stationierten Truppen. Entsprechend hat der westliche Einfluss auch das Leben in Okinawa verändert.

Doch eine Sache verblüfft die Altersforschung schon immer. Nirgendwo sonst auf der Welt werden so viele Menschen so alt wie auf Okinawa. Woran das liegt, versuchen die Forscher immer wieder zu ermitteln. Zusammenhänge mit der Ernährung und Lebensweise liegen auf der Hand, aber eine echte Formel für das dreistellige Lebensalter hat noch niemand entdeckt. Es ist schon erstaunlich, dass selbst 90-jährige hier noch längst nicht zu den ältesten Menschen zählen. Dreistellige Lebensalter sind hier statistisch gesehen deutlich häufiger als anderswo. Und nicht nur, dass die Menschen älter werden, sie bleiben auch sehr viel aktiver als ihre Altersgenossen in den übrigen Teilen der Welt. Bis ins hohe Alter arbeitet man hier auf dem eigenen Feld, fährt Motorrad oder geht irgendeiner körperlichen Arbeit nach. Da verwundert es nicht, dass man auf Okinawa kein Wort für „Ruhestand“ kennt.

Wie beeinflusst die japanische Lebensart das Altern?

Altern in Japan ist anders als im Rest der Welt. Trotz des oft stressigen Alltagslebens werden hier die Menschen oft besonders alt. Mögliche Gründe gibt es viele.
Altern in Japan ist anders als im Rest der Welt. Trotz des oft stressigen Alltagslebens werden hier die Menschen oft besonders alt. Mögliche Gründe gibt es viele. - Bild: naka, Fotolia.com

Spitzenreiter unter den Orten mit den Hundertjährigen ist das Dorf Ogimi. Selbst für die Verhältnisse auf Okinawa wohnen hier besonders viele Menschen, die den einhundertsten Geburtstag bereits erlebt haben. Von den insgesamt 1,3 Millionen Menschen auf Okinawa schaffen über 900 den Sprung in die Dreistelligkeit. Und in Ogimi ist rund ein Dutzend Einwohner (von insgesamt 3200) über einhundert Jahre alt. Rund 100 weitere Bewohner sind über 90 Jahre alt, was hier aber keine besondere Aufmerksamkeit erregt.

Die japanische Lebensart unterscheidet sich grundsätzlich von der westlichen, doch während man in den meisten anderen japanischen Landesteilen vom Alltagsleben und einer nicht immer gesunden Ernährungsweise gestresst ist, legt man auf Okinawa besonderen Wert auf eine gute und reichhaltige Ernährung. Dabei kommt es nicht nur auf die Kalorienzufuhr an, sonder auch auf die Nährstoffzufuhr, Ballaststoffe etc. Kein Wunder, dass das traditionelle Essen hier von Obst und Gemüse geprägt ist. Fisch, Fleisch und Eier gehören auch auf den Speiseplan, werden aber seltener genossen. Kohlehydrate und wenig Fett sind hingegen sehr beliebt bei denen, die besonders alt werden. Maß halten ist jedoch ebenfalls ein wichtiges Gebot. Das Motto „hara hachi bu“ trägt dazu bei, dass Übergewicht auf Okinawa eher die Ausnahme ist. Es bedeutet, dass man mit dem Essen aufhört, sobald der Magen zu 80% gefüllt ist. Vor allem aber wird selbst gekocht und man nimmt sich die Zeit dazu – etwas, das den meisten Großstädtern in Japan fehlt. Das gilt auch für die nachwachsenden Generationen auf Okinawa, die nicht in abgelegenen Dörfern wohnen. Fastfood, Mikrowelle und Zeitdruck beim Essen sind dort ebenso normal wie in westlichen Ländern. Deswegen geht wohl auch die Zahl der Hundertjährigen insgesamt langsam zurück.

Alte Menschen in Japan und Okinawa bleiben lange aktiv

Ein Rezept für das Erreichen eines dreistelligen Alters ist die hohe körperliche und geistige Aktivität bis ins Alter. Auf Okinawa ist es beinahe üblich, auch noch mit über 80 Jahren auf den Feldern zu arbeiten.
Ein Rezept für das Erreichen eines dreistelligen Alters ist die hohe körperliche und geistige Aktivität bis ins Alter. Auf Okinawa ist es üblich, auch noch mit über 80 Jahren auf den Feldern zu arbeiten. - Bild: sakai2132000, Fotolia.com

Dass Arbeit und körperlicher Stress aber längst nicht immer von Nachteil sein müssen, beweisen die alten Einwohner auf Okinawa, denn sie bleiben bis zuletzt fast immer körperlich und geistig sehr aktiv. Die Altersforschung sieht darin einen wichtigen Aspekt, denn sowohl Körper als auch Geist müssen auf Trab gehalten werden, wenn sie funktionieren sollen. Der schmale Grat zwischen Forderung und Überforderung ist dabei allerdings leicht zu überschreiten. Was für den einen schädlicher Stress im Alltagsleben ist, kann bei der traditionellen japanischen Lebensart schon wieder Vorteile mit sich bringen. Diese Philosophie befolgt man nach Möglichkeit nicht nur auf Okinawa, sondern auch in anderen Landesteilen, wo die Menschen durchaus auch ein respektables Alter erreichen können. Dennoch scheint die gehobene Stellung der Hundertjährigen auf der Insel ein Phänomen zu sein, das sich nicht so einfach mit dem richtigen Speisezettel erklären lässt. Es ist sicherlich eine Kombination aus Einstellung, Genen, Umwelteinflüssen, Stress, Ernährung und Arbeitsbelastung, die den Ausschlag gibt. Die perfekte Balance zu finden, das ist es, was man auf Okinawa offenbar häufiger schafft als an Orten, wo Zeitmangel und Vernachlässigung der Ernährung diesen Balanceakt schwieriger machen.

Der nächste Artikel der Okinawa-Reihe befasst sich mit dem Leben auf Okinawa und der Kultur der Inselgruppe, die sich von der des restlichen Japans grundlegend unterscheidet.

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