Rajio taisō: Seit 92 Jahren beliebte Morgengymnastik in Japan

Das „Rajio taisō“ (ラジオ体操, “Radio Taiso”) ist seit 92 Jahren ein beliebtes Gymnastik-Workout in Japan. Ende der 20er Jahre sind die Leibesübungen von Amerika nach Japan gelangt und seitdem ein fester Bestandteil der modernen japanischen Kultur. Was als Radiogymnastik begonnen hat, wurde später um den Titel terebi taisō („Fernsehgymnastik“) ergänzt. Die News widmet sich den Anfängen der beliebten japanischen Leibesertüchtigung.

1928 durch eine Versicherung ins Leben gerufen

1928 wurden die Übungen von Lebensversicherung des Ministeriums für Verkehr und Postwesen ins Leben gerufen. Damals wurden sie unter dem Namen kokumin kenkō taisō, also „Volksgesundheitsgymnastik“ bekannt. Als Gymnastik für das Volk sollten die Übungen möglichst leicht für jeden umsetzbar sein und den Körper dennoch gut trainieren.

Die Idee kam aus den USA, wo bereits vorher 15-minütige Gymnastikprogramme im Radio liefen. Das Programm wurde in Amerika von der Metropolitan Life Insurance Company unterstützt, Vertreter der Firma brachten das Konzept dann von Besuchen aus den USA mit. In den 30er und 40er Jahren dienten die Übungen vor allem der Verbesserung der Gesundheit von Soldaten, weshalb nach dem zweiten Weltkrieg eine Verbannung aus dem Radioprogramm folgte.

Die japanische öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft NHK versuchte 1946 ein neues Programm zu etablieren, aber bereits ein Jahr später musste es wegen fehlendem Interesse abgesetzt werden. Das eigentliche Radioprogramm wurde in späterer Zeit durch das Erziehungs- und Gesundheitsministeriums, den Japanischen Sportverband und den Verband für Erholung und Freizeit gründlich überarbeitet, sodass 19851 eine Rehabilitation folgte.

Japanische TV-Gymnastiksendung ist immer noch populär

Die aktuelle Version von rajio taisō ist trotz des eher alten Images bei Jung wie Alt immer sehr beliebt. In der Vergangenheit sind Grundschüler selbst in den Sommerferien früh aufgestanden, um die Gymnastikübungen durchzuführen. Es gab Aktionen durch die sie einen Stempel von NHK erhielten, welchen sie sammeln konnten und am Ende der Ferien ein kleines Geschenk erhielten, falls sie es durchgehalten haben.

Das japanische Motto „itsudemo, dokodemo, daredemo“ – jeder, jederzeit und überall kommt dabei voll zum Tragen. Neben Schulkindern beteiligen sich Firmen und sogar Rentner in Parks an dem Volkssport, welcher in Japan seit mehr als 90 Jahren eine wichtige Rolle spielt. Millionen werden durch die Sendungen jeden Tag erreicht.

Einfache Übungen für die Gesundheit

Damit wirklich alle Japaner mitmachen können, wurden einfache Übungen gewählt. Eine Übung wird beispielsweise in aufrechter Haltung mit leicht gespreizten Füßen durchgeführt. Sie beginnen mit der Bewegung der Arme. Zunächst strecken Sie die Arme in die Höhe und anschließend zu beiden Seiten. Während des Workouts werden die Bewegungen ausladender. In weiteren Übungen lässt man die Arme kreisen. Außerdem kommen irgendwann die Beine ins Spiel, welche zum Kreisen der Arme gebeugt werden sollen.

Die ganze Session wird mit leichter Musik unterlegt. Sie sollen sich möglichst anmutig im Rhythmus der Musik bewegen und am besten vom eigenen Atem leiten lassen. Die Übungen wirken gut gegen jede Art der Müdigkeit und regen die Blutzirkulation an.

Für ältere Menschen sind sie gut geeignet, da man sie auch im Sitzen ausführen kann. Mit dem minna no taisō(„Gymnastik für alle“) gibt es auch eine langsamere Variante, welche für alte Japaner gedacht ist.

Während der Pandemie haben viele YouTuber die Übungen von „Rajio taisō“ genutzt, um ihren Followern die Morgengymnastik ans Herz zu legen. Es sind 13 einfache Bewegungen, welche möglichst viele Muskeln bewegen sollen und so die Beweglichkeit der Japaner fördern. In den letzten Tagen und Wochen wurden auf den sozialen Netzwerken viele Videos von Personen weltweit eingestellt, welche die Übungen durchführen. Hier einmal ein Beispiel der JapanSocietyLondon, welches Anfang 2020 eingestellt wurde:

_{Bildquelle: Japanese radio taiso - group calisthenics von June, CC BY-SA 2.0, via flickr}