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Gendersprache in Japan: Wie geschlechtsneutral sind Japaner?

Damian Flanagan ist ein Forscher der japanischen Literatur und Kultur, der 1969 in Großbritannien geboren wurde. Während seines Studiums an der Cambridge University studierte er zwischen 1989 und 1990 in Tokio und Kyoto. Von 1993 bis 1999 war er in der Forschung an der Universität Kobe tätig. Nach dem Besuch des Master- und Doktorandenkurses in japanischer Literatur erwarb er einen Ph. D. im Jahr 2000. Er lebt sowohl in Nishinomiya in der japanischen Präfektur Hyogo als auch in Manchester. Er hat verschiedene Bücher über die japanische Sprache veröffentlicht.

Der Forscher hat sich in den letzen Jahren Gedanken um die Gendersprache in Japan gemacht. Durch die westlichen Entwicklungen des Genderns kamen die Diskussionen auch in Japan auf. Damian Flanagan untersucht das Thema nachdem er einen Twitter-Kommentar gelesen hatte, der meinte, dass in Japan im 19. Jahrhundert bereits neutrale Formen in Gebrauch waren.

Gendersprache kommt über Westen nach Japan

In den letzten Jahren ist die Besessenheit vom Geschlecht der Pronomen zu einem herausragenden Merkmal der "Kulturkriege" im Westen geworden, die jetzt in Japan Wellen schlagen. Der Twitter-Post hatte viele Antworten und vor allem sehr schockierende Kommentare darüber, wie die Europäer den Japanern geschlechtsspezifische Pronomen auferlegt hatten.

Im geschriebenen Englisch und den meisten europäischen Sprachen erinnert jeder einzelne Satz durch die Verwendung männlicher oder weiblicher Pronomen ständig an das Geschlecht einer Person. Im Gegensatz dazu kommt Japanisch, sowohl gesprochen als auch geschrieben, mit weitaus weniger Pronomen aus und sieht tatsächlich keine Notwendigkeit, das Geschlecht einer Person in beliebig vielen Sätzen anzugeben.

Kulturkontakte mit dem Westen veränderten japanische Sprache

Bis zur Meiji-Zeit (1868-1912) gab es im Japanischen tatsächlich überhaupt kein Pronomen der dritten Person. Das änderte sich erst als die japanische Sprache begann, viele Elemente der Grammatik aus dem Englischen zu übernehmen. Europäische Romane sollten ins Japanische übersetzt werden. Nach mehreren Fehlschlägen und Experimenten wurde das Wort "kare" ("dort drüben") verwendet, um diese Rolle zu erfüllen, und zwar zunächst für eine kurze Zeit, entsprach sowohl "er" als auch "sie".

Wenn ein japanischer Schriftsteller in der Meiji-Ära angeben wollte, dass die dritte Person weiblich war, dann heftete er sich einfach an das Zeichen für "kare" das Kanji für "Frau" ("ka no onna") an. Erst in der Taisho-Zeit (1912-26) hat sich die Aussprache dieses Wortes auf die moderne Form "kanojo" festgelegt.

All dies macht Pronomen im Japanischen des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts zu einer verwirrenden Angelegenheit. Als zum Beispiel der Schriftsteller Natsume Soseki in seinem "Letter from London" von 1901 über seine arbeiterähnliche Magd in einer Londoner Pension schrieb, bezeichnete er sie wiederholt als "kare". Das wunderte selbst die Designer - als ich die Geschichte übersetzte zur Veröffentlichung vor 20 Jahren einreichte. Ob Soseki absichtlich und vielleicht grausam ihren Mangel an weiblichem Charme betonte ist ungewiss.

Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass es sich lediglich um ein spätes Beispiel einer sich schnell verändernden Sprachlandschaft handelt. "Kare" konnte er noch auf Männer und Frauen beziehen, bevor sich moderne geschlechtsspezifische Pronomen fest etabliert hatten. Als Soseki 1904 weitere Romane schrieb, war dieser geschlechtsunspezifische Gebrauch von "kare" verschwunden.

Entwicklung der Gendersprache im modernen Japan

Im Laufe des folgenden Jahrhunderts, als immer mehr europäische und amerikanische Romane ins Japanische übersetzt wurden und ihr Einfluss absorbiert wurde, nahm die Verwendung von Pronomen im modernen Japanisch stetig zu.

Im Vergleich zu vor 60 oder 70 Jahren, als diese Praxis überwältigend verbreitet war, zeigen Frauen, die heute Japanisch sprechen, deutlich weniger Anzeichen von "Geschlechtsstilisierung", sowohl im wirklichen Leben als auch auf der literarischen Seite. Der Satz-Endpartikel „wa“ zum Beispiel ist immer seltener geworden und „atashi“ hat scheinbar seine Mode verloren. Früher konnte man einen schriftlichen Dialog auf Japanisch lesen und sofort das Geschlecht der Sprecher ablesen. Das stimmt heutzutage keineswegs.

Mit anderen Worten, in den letzten 150 Jahren sind einige sprachliche Mittel zur Hervorhebung des Geschlechts im Japanischen etwas aus der Mode gekommen (Stilisierung der Sprache), während andere Mittel (verstärkte Verwendung von Pronomen) zugenommen haben. Die Anpassungsfähigkeit der japanischen Sprache an sich ändernde kulturelle Normen wird sicherlich auch in Zukunft bestehen bleiben.

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