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Warum IKEA in Japan beim ersten Versuch gescheitert ist

Der schwedische Möbelgigant Ikea ist ja sicher jedem ein Begriff. Das 1943 vom damals 17 jährigen Ingvar Kamprad gegründete Unternehmen begann schon in den frühen 1960er Jahren die erste internationale Expansion mit einem Möbelhaus in der Nähe von Oslo. Danach folgte eine weitere aggressive Expansion, insbesondere nach Zentral- und Westeuropa. Japan war im Jahr 1974 das erste asiatische Land, in dem Ikea mit einem Franchisemodell Fuß fassen wollte. Allerdings war diese Expansion nicht von Erfolg gekrönt und Ikea zog sich 1986 wieder komplett aus dem japanischen Markt zurück.

Die Gründe für dieses Scheitern des sonst überall so beliebten Möbelhändlers in Japan hatte dabei vor allem kulturelle Hintergründe wie die kulturellen Unterschiede in Hinsicht auf Wohnen. Aber auch der Anspruch an Service und die DIY Methode von Ikea machten dem Unternehmen das Leben in Japan schwer. Es dauerte dann 20 Jahre, bis Ikea im Jahr 2006 einen erneuten Versuch startete, in Japan Fuß zu fassen. Dieses Mal mit einem eingehenden, besonders auch kulturellen Unterschied in Betracht ziehenden Marktanalyse, die dem zweiten Anlauf großen Erfolg bescherte. Inzwischen (Stand 2024) betreibt Ikea 13 Standorte in Japan und bedient natürlich auch das Online-Geschäft.

 

IKEA Leuchtreklame in dicht bebautem Stadtviertel von Tokio
Dicht gedrängte Gebäude und enge Straßen: Die urbane Struktur japanischer Großstädte erschwerte den Markteintritt von IKEA erheblich. Foto von Ka Long Li auf Unsplash

 

Der Hintergrund von IKEAs erster Expansion nach Japan

Ikeas erste Expansion nach Japan im Jahr 1974 sollte die sich internationalisierende Marke auf dem damals stärksten Markt Asiens und der seinerzeit zweitgrößten Volkswirtschaft nach den USA etablieren. Die Probleme, die letztendlich zum Rückzug im Jahr 1986 führten, hingen in einem gewissen Umfang sicher auch mit der unglücklichen zeitlichen Übereinstimmung mit der Ölkrise zusammen, die Deutschland ja sogar autofreie Sonntage bescherte.

Wirklich gescheitert ist Ikea bei seinem ersten Anlauf in Japan aber aufgrund des fehlenden kulturellen Verständnisses für den Zielmarkt. Anders als bei den Expansionen nach Zentral- und Westeuropa konnten die kulturellen Unterschiede dort weitgehend ignoriert werden. Bei der Expansion in einen Markt hingegen, dessen Kultur und Publikum deutlich weiter von Schweden entfernt waren und sind, unterschätzte man die Bedeutung dieser Unterschiede erheblich.

 

Warum Japan als Zielmarkt gewählt wurde

Japan war zu Beginn der 1970er Jahren die mit am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt und mit Abstand die stärkste Volkswirtschaft in Asien, ja sogar die zweitstärkste der Welt nach den USA.

Dieser Wirtschaftsboom führte natürlich auch zu einem positiven Konsumklima. Ein anderer Grund für die Wahl von Japan als Ort für eine erste Expansion in den asiatischen Raum stellte die von Seiten Ikeas wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen japanischem und modernen schwedischen Design dar, die beide etwas minimalistisches haben.

Insgesamt war Japan aber in den 1970er Jahren das logische Ziel für die Expansion eines westlichen Unternehmens im asiatischen Raum, da sowohl China als auch Südkorea noch weit davon entfernt waren, ihre heutige Wirtschaftskraft zu erreichen.

 

Der wirtschaftliche Kontext der 1970er Jahre in Japan

Ähnlich wie im Deutschland der Wirtschaftswunderjahre sah auch Japan nach dem 2. Weltkrieg in den 1950er und 1960er Jahren einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg mit den teils größten jährlichen Wachstumsraten weltweit. In nicht einmal 30 Jahren war aus dem kriegsgebeutelten Land in den 1970er Jahren eine internationale Wirtschaftsmacht geworden.

Allerdings wurde auch das stark von Ressourcen abhängige Japan und seine Wirtschaft durch die Ölpreiskrise, die im November 1973 begann, hart getroffen. Dies konnte so von Ikea zwar nicht vorhergesehen werden, aber die Koinzidenz dieser Krise mit der geplanten Expansion nach Japan im Jahr 1974 muss als unglücklich angesehen werden.

Insgesamt war aber die Ölpreiskrise nicht ausschlaggebend für den Misserfolg des schwedischen Unternehmens. Mehr über Japans Wirtschaft.

 

Gründe für das Scheitern von IKEA in Japan beim ersten Versuch

Die Gründe für das Scheitern von Ikea in Japan bei dem ersten Versuch einer Expansion hatte wie schon angesprochen vor allem kulturelle Hintergründe. Die Unterschiede in Hinsicht auf Wohnen, Wohnungsgrößen und Ansprüche zwischen Europa und Japan wurden von Ikea seinerzeit unterschätzt. Vier der Hauptprobleme wollen wir hier vorstellen.

 

1. Fehlende Anpassung an die spezifisch japanischen Wohnverhältnisse

Bei der ersten Expansion nach Japan bot Ikea lediglich sein Standardsortiment an. Allerdings trafen diese Möbel im schwedischen Design auf eine völlig andere Wohnkultur mit besonderen Ansprüchen.

Zudem waren viele der Möbel für die im allgemeinen doch eher beengten Wohnverhältnisse der Japaner insbesondere in den Großstädten (in denen oder in deren Nähe sich natürlich auch die ersten Ikea Märkte befanden) überdimensioniert. Sie hätten schlicht zu viel Platz weggenommen, um wirklich eine gute Alternative zu sein.

So waren die meisten Produkte trotz der relativ niedrigen Preise kaum eine praktische Alternative zu japanischen Möbelherstellern, die ihre Produktion natürlich an die ihnen bekannten Bedürfnisse angepasst hatten.

 

2. Probleme mit dem Selbstbedienungskonzept

Japaner sind beim Einkaufen in Läden an das Konzept von Omotenashi – Gastfreundschaft – gewöhnt. Wenn sie als Kunden einen Laden betreten, dann erwarten sie sozusagen, dass sich verbeugende Angestellte darum bemühen, ihnen das Einkaufserlebnis so angenehm wie möglich zu gestalten.

Die Idee, die Ware selber zu tragen – sowohl vom Lagerregal zur Kasse als auch von der Kasse zum Auto oder öffentlichen Verkehrsmittel – hingegen war den Japanern extrem fremd und oft unangenehm.

Allerdings war und ist genau das natürlich eines der Mittel, mit denen Ikea Geld spart, um die Preise möglichst attraktiv gestalten zu können. Ein Ansatz, der sich in vielen Teilen der Welt problemlos durchsetzen konnte, in Japan aber auf eine verständnislose Kundschaft traf.

Erschwerend kam hinzu, dass die Japaner daran gewöhnt waren, dass die Möbel durch den Händler aufgebaut wurden. Das DIY Konzept traf damit ebenso auf Unverständnis, vor allem in einem Umfeld, in dem die Konkurrenz genau diesen Service oft in den Preis gleich mit einbezog.

 

3. Logistische Herausforderungen

Die zum Selbsttransport und Selbstaufbau gedachten Möbel von Ikea stellten viele Japaner zudem vor logistische Herausforderungen. Nicht nur waren die für den nordeuropäischen Wohnstandard entworfenen Möbel nicht selten überdimensioniert für japanische Wohnungen, auch der Transport der nicht zusammengebauten Möbel gestaltete sich mitunter schwierig.

Die meist kleinen Autos der Japaner stießen dabei schnell an ihre Grenzen und wer vielleicht schon einmal selber mit einem oder gleich einigen Ikea-Möbeln in den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war, der weiß ganz genau, wie kompliziert und vor allem auch unangenehm das sein kann. Die teils sehr engen Straßen in den japanischen Städten sind da nur ein zusätzliches Problem.

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, welche kulturellen und praktischen Gründe hinter der minimalistischen Lebensweise in Japan stehen, empfehlen wir Ihnen unseren Blogbeitrag „Warum ist in Japan alles so klein?“

 

4. Marketing- und Kommunikationsfehler

Auch wenn die Expansion nach Japan am Anfang in Japan ein großes mediales Interesse hervorrief, konnte die Marke nicht davon profitieren. Das größte Problem war dabei das fehlende Wissen um die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse sowie die fehlende lokale Anpassung von Marketingstrategien, die bei Ikea seinerzeit eher global als lokal gedacht wurden.

So konnte sich das in vielen Ländern als Kultmarke geltende Ikea in Japan bei der ersten Expansion nie richtig durchsetzen.

 

IKEA Leuchtreklame in Tokio
Beengte Straßen und dichte Bebauung: In Japans Großstädten stößt das klassische IKEA-Selbstbaukonzept schnell an seine Grenzen. Foto von Roméo A. auf Unsplash

 

Der Rückzug von IKEA aus Japan und die Vorbereitung auf den Neuanfang

Im Jahr 1986 zog sich Ikea fürs Erste aus dem japanischen Markt zurück. Es sollte danach 20 Jahre dauern, bis Ikea im Jahre 2006 mit einer angepassten Strategie auf den japanischen Markt zurückkehrte.

Dieser lange Zeitraum wurde von Ikea dabei intensiv genutzt, den Marktauftritt des Möbelgiganten auf die spezifisch japanischen Bedürfnisse anzupassen. Dabei spielten vor allem drei Gesichtspunkte eine besonders wichtige Rolle: die Anpassung des Produktangebotes, ein verbesserter Kundenservice samt speziellen Logistikangeboten sowie lokalisierte Marketingstrategien.

Diese Anpassungen, mit denen 2006 der Neuanfang gewagt wurde, basierten auf intensiven Marktanalysen und einem Umdenken bei der globalen Expansion, die sich – auch durch das Scheitern in Japan – nun mehr auf lokale und kulturelle Besonderheiten und Ansprüche konzentrierte, als das schwedisch-europäische Modell einfach in anderen Ländern umzusetzen.

Zu der intensiven Marktforschung, die von Ikea in Japan betrieben worden ist, zählten sogar Hausbesuche und Wohnungsbesichtigungen, um sich mit den Besonderheiten der japanischen Wohnkultur und den Wohnverhältnissen besser bekannt zu machen.

Zudem führte die Marktanalyse zu der Entwicklung vom „Tebura-Box-Serrvice“, einem speziell für Japan entwickeltem Service-Angebot der Lieferung von Produkten. Dem kam zudem die Entwicklung des Online-Geschäfts auch in anderen Ländern entgegen.

Diese machte logistische Lösungen für die Lieferung bestellter Möbel – und gegebenenfalls auch deren Montage – notwendig, wodurch bereits wichtige Erfahrungen gesammelt werden konnten. Nach 2006 weitete sich das Online-Geschäft dann noch einmal deutlich aus, bis hin zur Abschaffung des ikonischen Ikea-Katalogs im Jahr 2021.

 

IKEAs erfolgreiche Anpassungen beim zweiten Markteintritt in Japan

Beim zweiten Markteintritt in Japan nutzte Ikea die gewonnenen Erfahrungen aus dem Scheitern des ersten Versuches sowie der intensiven Marktanalysen, die das Unternehmen durchgeführt hatte. So startete das Unternehmen im zweiten Anlauf mit einer klar auf Japan, die japanische Kundschaft und ihre Bedürfnisse zugeschnittenem Ansatz, der sich als erfolgreich erwies.

 

Anpassung des Produktangebots

Für seine japanischen Märkte hat Ikea aus seinem weltweitem Sortiment 7.500 Artikel ausgewählt, die in Japan angeboten werden, da sie den japanischen Haushaltsstandards entsprechen. Dafür wurden teilweise auch die Dimensionen der Möbel angepasst, sodass sie besser in die meist beengten japanischen Wohnverhältnisse zu integrieren sind wie japanische Möbel.

Zudem entwickelte Ikea faltbare und klappbare Möbel, die sich durch die Möglichkeit zum Platzsparen besonders für den japanischen Markt eignen.

 

Verbesserter Kundenservice und Logistik

 

Für den Kundenservice beim zweiten Markteintritt in Japan entwickelte Ikea ein eigens für den japanischen Markt entwickeltes Modell mit dem Namen „Tebura-Box-Service“. Dabei listen die Kunden die (kleineren) Produkte, die sie kaufen und nach Hause geliefert bekommen möchten auf einem Formular auf.

Zudem wird auch die Lieferung größerer Möbel – und deren Montage gegen einen Aufpreis – in Japan direkt von Ikea angeboten. So wurde das Kauferlebnis für Japaner besser und die logistischen Probleme wurden weitgehend behoben, zwei wichtige Faktoren für den nachhaltigen Erfolg von Ikea in Japan.

 

Lokalisierte Marketingstrategien

Natürlich passte Ikea auch seine Marketingstrategien an das spezifische kulturelle Umfeld an. So wird z.B. aus dem DIY eine gemeinschaftsfördernde Familienaktivität und die Showrooms werden nach japanischem Vorbild gestaltet (z.B. mit typischen japanischen Kochgeräten und Tatami-Matten) und lokal angepasst.

In Tokio zeigen die Ikea Einrichtungshäuser oft kleine Räume, wie sie für Appartements in der japanischen Metropole typisch sind. Daneben wurde auch das Angebot der Restaurants angepasst, die saisonale bzw. jahreszeitliche Specials anbieten, da die Jahreszeiten in Japan kulturell eine besondere Rolle spielen.

 

Nachhaltigkeit und zukünftige Strategien von IKEA in Japan

Ein besonderer Fokus liegt bei Ikea in Japan – wie auch international – auf dem Thema Nachhaltigkeit. Dieses umfassende Konzept ist sowohl in Japan als auch in Europa in aller Munde. Es steht für die Idee eines ressourcenschonenden Wirtschaftens, was in einem von Importen und knappen Rohstoffen abhängigen Land wie Japan von besonderer Bedeutung ist.

Zudem hatte Ikea in Japan eine sehr aggressive Expansionsstrategie, die durch den Coronavirus und andere Umstände leicht gebremst wurden. Eigentlich wollte man in den frühen 2020er Jahren in Japan 20 oder mehr Ikea Filialen aufgebaut haben, nun sind es insgesamt 13, inklusive drei kleinerer City Shops in Tokio.

 

Fokus auf nachhaltige Geschäftspraktiken

In Hinsicht auf nachhaltige Geschäftspraktiken setzt Ikea eine zweigleisige Strategie um. Zum einen werden neue Märkte so gebaut, dass sie möglichst Wasser sparend operieren und mit Solarenergie versorgt werden. Der erste solche Markt wurde 2013 eröffnet. Ältere Märkte in Japan werden nach und nach umgerüstet.

Hinzu kommt der Umgang mit gebrauchten Möbeln aus den Showrooms und zurückgegebenen Artikeln, die in einem Second Hand Outlet bzw. zu niedrigeren Preisen erstanden werden können. So wird unnötiger Überschuss so gut es geht vermieden, wenn dies natürlich auch nie zu 100% möglich ist.

Zudem setzt Ikea in Japan auf ein Lieferservice mit Elektro-Vans und E-LKW sowie eine Lieferung innerhalb eines Zeitraumes und nicht schnellstmöglich, um Lieferketten zu optimieren und weniger halbleere Fahrten machen zu müssen.

 

IKEA heute: Weitere Expansion und zukünftige Pläne

Ikea hat sich heute in Japan im zweiten Anlauf etabliert und kann dies mit beeindruckenden Zahlen untermauern: 13 Filialen, 26 Millionen Besucher im Jahr und mit dem Ikea Tokio Bay mit einer Fläche von 44.000 qm ein richtig gigantischer Standort in Tokio.

Wie kaum anders zu erwarten sind bei den guten Zahlen weitere Standorte geplant, immerhin war das ursprüngliche Ziel ja 20 Märkte zu etablieren.

Auch die Marktforschung, die entscheidend für den nachhaltigen Erfolg von Ikea in Japan war, wird kontinuierlich fortgesetzt. Laut dem Unternehmen steht dabei der Kunde stets im Mittelpunkt. So will Ikea auch in Zukunft passgenaue Antworten auf sich wandelnde Umstände und Konsumgewohnheiten finden.

 

 

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Titelfoto © Artin Bakhan auf Unsplash

 

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