Vom Reisstroh zur fertigen Tatami-Matte
In Japan ist die Tatami Matte so selbstverständlich wie hier ein Teppichboden oder Parkett. Als Bodenmaterial wird die Tatami schon seit sehr langer Zeit verwendet. Die heute bekannte Form der Tatami ist seit der Heian-Zeit (794–1185) gebräuchlich, doch Vorläufer soll es sogar schon im 6. Jahrhundert vor Christus gegeben haben. Damals verwendete man jedoch noch nicht unbedingt Reisstroh, sondern fertigte Teppiche und Matten noch aus Wolle an, die sowohl zum Sitzen als auch zum Schlafen verwendet wurden. In dieser Funktion sind Tatami auch heute noch zu finden, außerdem sind sie ein Standard-Bodenbelag für Orte, an denen Kampfsport (z.B. Judo) praktiziert wird. Erst im Laufe der Zeit setzten sich bestimmte Maße durch, die noch heute die Größe der Tatami bestimmen. Als Sitzgelegenheit werden meist halbe Tatami verwendet, während die ganze Mattengröße zum Liegen geeignet ist.
Unterschiede gibt es auch in der Weise, wie ein Raum mit den Matten ausgelegt wird. Kleinere Räume wurden schon früh komplett ausgelegt, während größere Räume mit Holzböden normalerweise nur am Rand mit Tatami bestückt wurden. Als sich die flächendeckende Auslegung durchsetzte (auch zashiki genannt), stellte man Regeln für das genaue Layout auf. Diese Richtlinien änderten sich mit der Zeit mehrfach, um sich modischen Erscheinungen und neuen Ansprüchen anzupassen. Vor allem während der Edo-Zeit wurden die Matten aus Reisstroh diversen Überarbeitungen unterzogen. Die Standardisierung unterstützte dabei eine gewisse Flexibilität, denn je nach Anlass konnte man das Layout im Raum nun auch einfach anpassen. Es war während der Edo-Zeit (etwa 1750), dass Tatami in bürgerlichen Haushalten gebräuchlich wurden.
Des Pudels Kern besteht traditionell aus Reisstroh
Eine klassische Tatami besteht aus drei Bestandteilen, dem Kern (Doko), der Oberfläche (Omote) sowie der Einfassung aus Textilmaterial (Beri oder auch Fuchi), wobei letztere häufig hauptsächlich der Zierde dient. Der Kern der Matte besteht in der Regel aus Reisstroh und zeichnet sich durch gute Haltbarkeit und Robustheit aus, die von einem Bodenbelag erwartet werden. Das Reisstroh ist ein Nebenprodukt der Reisproduktion und wird nicht selten ungenutzt verbrannt. Als Rohstoff für die Tatami-Herstellung ist es jedoch nach wie vor sehr wichtig, auch wenn mittlerweile günstigere und dünnere Varianten der Tatami erhältlich sind, die mit einem Zellstoffkern ausgestattet sind. Diese als Unit-Tatami bezeichneten Matten unterscheiden sich in Optik und Handhabung kaum von den originalen Tatami aus Reisstroh und sind für viele Menschen eine sehr brauchbare Alternative, zumal sie sehr leicht zu verlegen sind. Gerade die Unit-Tatami verfügen zudem häufig über Klettverschlüsse, mit denen sie untereinander einfach verbunden werden können. Eine rutschfeste Unterseite ist ebenfalls typisch für diese Variante.
Etwas teurer, aber dafür authentischer, ist die Standard-Tatami, die ganz klassisch mit einem Reisstrohkern ausgestattet wird. Eine weitere Steigerung stellt hingegen die HQ-Tatami da, die mit ihrem High-Quality-Anspruch auch echte Puristen unter den Japan-Enthusiasten zufriedenstellt. Sie ist nicht nur exzellent verarbeitet, sondern verfügt meist auch über einen deutlich stärkeren Reisstroh-Kern. Durch die hohe Verdichtung des Reisstrohs erhöhen sich somit Gewicht und Höhe im Vergleich zur Standard-Ausführung. HQ-Tatami werden überall dort eingesetzt, wo es nicht nur auf die pure Optik, sondern auch auf Haltbarkeit und Belastbarkeit ankommt. In Wohnräumen und Kampfsporthallen werden HQ-Tatami bevorzugt eingesetzt, weil sie eine intensive Benutzung besser verkraften als die günstigeren Varianten. Als Faustregel gilt: Standard-Tatami eignen sich vor allem in Räumen, wo wenig gelaufen wird und wo keine Punktlasten (z.B. durch Möbel) erzeugt werden, High Quality Tatami eignen sich für Räume, in denen viel gelaufen oder Sport ausgeübt wird. Alle Tatami werden ungeachtet ihrer Robustheit aber stets nur barfuß oder mit Socken betreten, denn das schont zum einen das Material und verhindert zum anderen eine rasche Verschmutzung.
Seit Jahrhunderten wird für die Oberfläche einer Tatami Igusa verwendet
Neben dem Reisstroh als Material für den Kern spielt das Igusa-Gras als Oberflächenmaterial eine mindestens ebenso große Rolle. Die Technik zur Herstellung solcher Tatami blickt in ihren Ursprüngen angeblich auf eine über zweitausend Jahre alte Tradition zurück. Das Igusa wird ähnlich wie Reis während der Monsunzeit angebaut. Bis die zu den Binsen gehörende Pflanze ausgewachsen ist, vergehen etwa sechs Monate. Die besonderen Eigenschaften von Tatami Igusa machen es perfekt für den Einsatz als Oberflächenmaterial der Matten, denn die Igusa-Pflanze gilt als besonders resistent gegen Insektenbefall und bestimmte Pflanzenkrankheiten. Gleichzeitig weist es eine hohe Widerstandsfähigkeit auf, kann aber dennoch sehr dünn verarbeitet werden. Die angenehme Textur von Igusa verleiht vielen Tatami-Matten ihre typische weiche Oberfläche. Eine gute Tatami-Matte kann bei einer entsprechenden Pflege durchaus zehn Jahre und älter werden. Das feine Binsengeflecht der Tatami Igusa ist übrigens auch atmungsaktiv. Die Halme der verwendeten Binsen aus Igusa-Gras verfügen über ein eigenes System von Luftkammern und Kapillargefäßen, was die Isolation und Atmungsaktivität unterstützt. Während eine Tatami im Sommer angenehm kühl ist, isoliert sie im Winter bestens gegen die grimmige Kälte. Würde die Luftzirkulation der Oberfläche behindert, könnte der Reisstrohkern rasch zu schimmeln beginnen. Dies gilt natürlich auch für die Zellstoff-Varianten. Auch deswegen wird ebenso bei der günstigeren Unit-Tatami eine Igusa-Oberfläche verwendet. Sowohl Igusa als auch Reisstroh können heute maschinell geerntet werden. Durch die ähnliche Anbauweise von Reis und Igusa ähnelt sich auch die Weiterverarbeitung, was die Effizienz der Tatami-Herstellung unterstützt. Wird eine besonders hohe Qualität gewünscht, erfolgt die Ernte auch heute noch von Hand.
Sorgfältige Verarbeitung gewährleistet hohe Qualität der Tatami
Für den Kern muss das Reisstroh sehr gut getrocknet und verdichtet werden. Trockenzeiten von bis zu einem Jahr sind nicht ungewöhnlich. Für die Rohmatten wird das getrocknete Reisstroh in mehreren Lagen geschichtet. Eine solche Rohmatte hat eine Stärke von rund 40 Zentimeter, die beim anschließenden Pressen aber auf etwa 5 cm reduziert wird. Deswegen sind Tatami-Matten auch trotz ihrer geringen Dicke so schwer. Manche Tatami können bis zu vierzig Kilogramm auf die Waage bringen. Dieses hohe Gewicht zeichnet zwar hochqualitative Tatami aus, doch viele Japaner greifen inzwischen durchaus auch zu den leichteren und günstigeren Unit-Tatami oder Muko-Tatami mit ihrem Schaumstoff- bzw. Zellstoffkern. Trotz bester Verarbeitung sind aber alle Tatami durch die Verwendung natürlicher Rohstoffe in ihrer Lebensdauer begrenzt. Allgemein gilt, dass eine Matte dann ausgetauscht werden muss, wenn sie weich geworden ist. Eine neue Tatami-Matte sollte hingegen relativ hart sein. Gar nicht gut sind Flüssigkeiten und Feuchtigkeit allgemein – deswegen sollte ein Boden, auf dem Tatami ausgelegt werden, nicht diffusionsdicht sein; d.h., Feuchtigkeit muss entweichen können. Dies ist umso wichtiger, wenn die Tatami als Futon-Unterlage zum Schlafen verwendet wird. Eine Unterkonstruktion aus Latten kann ähnlich einem Bettgestell den Luftaustausch verbessern. Heute sind die Matten in vielen verschiedenen Größen und Designs erhältlich, die sich sowohl für große als auch kleine Wohnräume, Meditationsräume oder Kampfsport-Hallen eignen. Um die Haltbarkeit zu gewährleisten, sollte man sich bei den Pflege- und Reinigungsanweisungen stets an die Vorgaben des Herstellers halten. Beachtet man diese, steht einer langen Lebensdauer der Matte aus Reisstroh in den eigenen vier Wänden nichts im Wege.
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