Japanischer Kimono – Nationalgewand im Wandel der Jahrhunderte
Wenn das Wort Kimono fällt, haben wir meist eine relativ eindeutige Vorstellung davon, worum es geht: eine Robe mit klaren Linien, prächtige Farben, Schriftzeichen, Muster, edle Stoffe und ganz besondere Eleganz. Dabei heißt das Wort Kimono übersetzt eigentlich bloß „Anziehding“ (von „kiru“, anziehen/tragen, und „mono“, Ding), bis zum achten Jahrhundert nach Christus verstand man darunter alle Arten von Kleidungsstücken. Gemutmaßt wird, dass erste ähnliche Roben aus China nach Japan kamen, zunächst als Alltagsbekleidung, die die Bauern auf den Feldern trugen. In der Heian-Zeit (794–1192) entwickelte sich dann die Robe, die wir heute mit dem Wort Kimono assoziieren: in der Form des Buchstaben „T“, wenig figurbetont, von links nach rechts um den Körper gewickelt, mit weiten Ärmeln, die bis zum Boden reichen können und zusammengehalten von einem Gürtel, der am Rücken geknotet wird. Was viele Menschen gar nicht wissen: Die Ästhetik des japanischen Kimonos faszinierte schon im 19. Jahrhundert viele Europäer und beeinflusste maßgeblich die Entwicklung des Jugendstils mit seinen berühmten floralen Mustern.
Doch zu einem Kimono gehört viel mehr als das Kleidungsstück selbst. So kam über die Jahrhunderte der prägnante Kimono Gürtel „Obi“ dazu, mit dem die vielen Stofflagen am Rücken fixiert werden. Natürlich ist auch auf angemessene, passende Unterbekleidung, Socken, Sandalen, Jacken und Accessoires zu achten. Die traditionelle Kimono Garderobe der Frau kann um die zwölf Einzelteile umfassen. Kein Wunder, dass das Anlegen des japanischen Kimonos als Kunst für sich gilt.
Japanischen Kimono tragen
- Ein Kimono besteht aus vielen einzelnen Schichten und Elementen. Neben dem eigentlichen Obergewand sind Accessoires wie ein Obi unverzichtbar. - Bild: © fofo* - fotolia.com
In Japan selbst sind so manche Touristen enttäuscht: Wenn nicht gerade eine feierliche Zeremonie ansteht oder ein besonderer Tag – wie etwa eine Hochzeit – begangen wird, lassen sich kaum Japaner im Kimono erblicken. Früher war es Tradition, einen Kimono in der Familie weiterzuvererben und die teilweise komplizierte Art, diesen zu wickeln, von einer Generation an die nächste zu vermitteln. Heute wären wahrscheinlich die meisten Japaner mit dem Wickeln eines traditionellen japanischen Kimonos und dem Anlegen aller dazugehörigen Accessoires überfordert.
- Einen Kimono anzuziehen ist gar nicht so einfach. Deshalb gibt es für besondere Anlässe extra Anziehhilfen, die die Trägerin beim Anlegen der einzelnen Schichten und beim Binden der Obi und Schleife unterstützen. - Bild: © fofo* - fotolia.com
Daher gibt es in Japan professionelle Anlegehilfen, die für besondere Anlässe gebucht werden können und beim Anziehen helfen. Für Liebhaber des japanischen Kimonos wird an manchen Orten sogar „Kimono Unterricht“ angeboten, der nicht nur das Falten, Wickeln und Binden erklärt, sondern auch das Aussuchen der Stoffe und Muster, und die Lehre davon, zu welchem Tag und welcher Jahreszeit welcher Kimono angemessen ist. Nicht nur nach saisonalen Gesichtspunkten, sondern auch nach Alter und Familienstand muss insbesondere bei Frauen der richtige Kimono ausgewählt werden. Während der „Furisode“ zum Beispiel nur von jungen, unverheirateten Frauen getragen wird, sind „Kurotomesode“ und „Irotomesode“ verheirateten Frauen, gerade den Müttern einer Braut bei einer Hochzeitsfeier, vorbehalten. Viele dieser kostbaren Seidenkimonos sind allerdings nur bedingt für den Alltag geeignet. Wer den Kimono als Sommerbekleidung einmal ausprobieren will, ist mit dem lockeren Yukata aus Baumwolle oder Leinen am besten beraten.
Herren Kimono für Zeremonien und Sport
- Zur Hochzeit oder anderen feierlichen Anlässen ist ein Kimono ganz besonders aufwendig. Auch die Männer tragen hierfür meist einen festlichen Kimono. - Bild: © diamondforce - fotolia.com
Inzwischen wird vermutet, dass der Kimono niemals ein reines Frauenkleidungsstück war, sondern zu Beginn sogar geschlechtsneutral. Dass sich Damen und Herren Kimonos unterscheiden, entwickelte sich erst über die Jahrhunderte durch die Vielfalt an Mustern, Farben und Stoffen. Auch wenn das Tragen der traditionellen Kleidung häufiger bei Frauen beobachtet werden kann, tragen auch Männer zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Teezeremonien, dem Seijin no Hi (der Tag, an dem die eigene Volljährigkeit gefeiert wird), Feiertagen oder Beerdigungen einen Kimono. Herren Kimonos sind im Allgemeinen in dunkleren Farben gehalten und nicht so aufwendig verziert wie die der Damen. Falls Muster vorhanden sind, sind diese häufig schlicht gehalten, zeigen beispielsweise Bambus, stilisierte Leinenblüten oder Ornamente. Das Anlegen ist einfacher, rund fünf Bestandteile umfasst die komplette männliche Kimono Garderobe, beispielsweise den Hosenrock „Hakama“ oder das Jackett „Haori“. Auch in bestimmten traditionellen Sportarten wie dem Schwertkampf Kendo oder Kyudo (japanisches Bogenschießen) werden Kimonos und ähnliche Gewänder getragen, insbesondere zu Wettkämpfen.
Seidenkimono – die Vollendung des Kimono
- Auch beim Spielen traditioneller Musikinstrumente wie der Koto tragen viele Musikerinnen und Musiker einen Kimono. - Bild: © akiyoko - fotolia.com
Heutzutage machen moderne Materialien wie Wolle, Leinen und Polyester die Handhabung eines japanischen Kimonos leichter. Sie gelten aber auch als „legere“ Variante dessen und sind nicht passend für wahrhaft traditionelle Feiern. Der formellste, schönste Kimono ist selbstverständlich aus Seide. Diese feinen Gewänder müssen, um perfekt zum Träger zu passen, meistens handgefertigt werden und können dadurch schnell mehr als 10.000 Euro kosten. Auch die schärpenartigen Gürtel, die Obi, sind aus Seide erhältlich und dementsprechend hochpreisig – immerhin sind sie in der Variante für Damen gern mal über drei Meter lang. Häufig werden alte Kimonos aber auch umgearbeitet: Man ergänzt sie mit neuen Verzierungen oder stellt aus ihnen Hosen, Taschen oder Kimonos für Kinder her. Die einen oder anderen Japaner – und selbstverständlich auch Europäer – versuchen sich inzwischen selbst am Schneidern des traditionsreichen Gewands.
Fukumi Shimura: Japans Nationalheldin
Durch ihre Arbeit mit klassischen Kimono Schnitten, natürlichen Farben und feinster Japanseide ist die Schneiderin Fukumi Shimura zu einer internationalen Berühmtheit geworden. Fukumi Shimura und ihre Tochter Yoko führen in ihren Kimonos mehrere Welten zusammen: Sie vereinen traditionelle japanische Herstellungsweisen, unter anderem die Verwendung von Naturfarbstoffen wie Stockrose, Krappwurzel, Zwiebelschalen oder Lindenzweigen, mit europäischen Farbphilosophien wie dem Deutschen Idealismus oder Goethes Farbenlehre. Ihre Kimonos sind so von einer abstrakteren, weniger bunten und an Kostümfilme erinnernden Ästhetik; traditionelle Motive wie Lotusblüten oder Koi Karpfen finden sich kaum wieder. Die anmutige, feinabgestufte, sphärische Wirkung dieser Gewänder konnte man im Jahr 2015 auch in Deutschland, im Berliner „Bröhan-Museum“ bestaunen. Fukumi und Yoko Shimura, die mit ihrem künstlerischen Lebenswerk und ihrem Beitrag zum Erhalt der japanischen Kimonokultur bereits als „Japans Nationalschatz“ gelten, waren sogar selbst zur Ausstellung angereist. In einem Farbworkshop brachten sie Interessierten die hohe Kunst des Umgangs mit Seide und pflanzlichen Farben näher.
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