Geschichte und Entwicklung der japanischen Schrift
Die Geschichte der japanischen Schrift – Warum schreibt man in Japan gleich mit drei sich deutlich voneinander unterscheidenden Schriftsystemen, Kanji, Hiragana und Katakana?
Wie entwickelte sich in der Geschichte Japans eines der kompliziertesten Schriftsysteme der Welt?
Kanji – die chinesischen Schriftzeichen
Die Basis aller drei japanischen Schriftsysteme ist die chinesische Schrift mit ihren über 50.000 piktogrammartigen Schriftzeichen.
Kanji (jap. 漢字, wörtlich: chinesische Schriftzeichen) gelangten zwischen dem 3. und 5. Jahrhundert vom chinesischen Festland auf die japanischen Inseln und wurden dort adaptiert, da ein eigenes Schriftsystem in Japan bisher fehlte.
Die hochentwickelte chinesische Kultur dieser Zeit genoss großes Ansehen in der japanischen Gesellschaft. Insbesondere die Oberschicht profilierte sich gern mit umfassenden Kenntnissen der chinesischen Sprache und Schriftzeichen.
Das Problem: die japanische und die chinesische Sprache haben ganz unterschiedliche Sprachstämme und so gut wie keine grammatikalischen oder phonetischen Überschneidungen.
- In der japanischen Kalligrafie kommen zum Kanji die Silbenschriften Katakana und vor allem Hiragana dazu. - Bild: © delo - pixabay
Manyôgana – die Schrift des Volkes
Da nur die gebildete Oberschicht der japanischen Gesellschaft Zugang zum Chinesischen hatte, entwickelte sich in Japan im 7. und 8. Jahrhundert eine alternative phonetische Nutzung der chinesischen Schriftzeichen. So konnten auch die weniger gebildeten Japaner die Schrift nutzen und verstehen.
Diese Form der Nutzung von Kanji wird nach der ältesten japanischen Gedichtsammlung Man’yōshū (萬葉集, deutsch „Sammlung der zehntausend Blätter“) Man’yōgana genannt.
Hiragana – die Schrift der Frauen
- Schreibende Japanerin um 1911 - Bild: © Elstner Hilton, A.Davey - wikimedia.com*
In der patriarchalen Gesellschaft der Heian-Zeit ab dem siebten Jahrhundert war es Frauen nur erlaubt, Manyôgana zu erlernen. Kanji, die chinesischen Zeichen, galten als nicht angemessen.
Doch die komplizierten Zeichen waren für den täglichen Gebrauch mit dem Pinsel nicht geeignet. Mit der Zeit vereinfachten die Schreiberinnen die Zeichen.
Hiragana (平仮名 oder ひらがな), damals noch onamoji genannt, wurde charakteristisch kursiv und damit zur japanischen Schreibschrift.
Heute ist Hiragana die in Japan weitverbreitetste der zwei Silbenschriften und das erste der drei japanischen Schriftsysteme, das japanische Schüler lernen.
Katakana – die Schrift der Mönche
Das zweite japanische Silbenschriftsystem Katakana (片仮名 oder カタカナ) entwickelte sich parallel zum Hiragana ab dem 8. Jahrhundert.
Ursprünglich wurde Katakana von buddhistischen Mönchen als Lesehilfe für komplizierte Texte in Kanji entwickelt. Im Vergleich zu den komplexen Kanji kann man Katakana mit seinen nur 50 Schriftzeichen fast als eine Art Stenographie betrachten.
Heute wird Katakana fast ausschließlich für ausländische Wörter und Fremdwörter verwendet, für die es kein eigenes Kanji gibt, wie zum Beispiel für Fernsehen: テレビ.
Rōmaji – Anpassung an den Westen
Ursprünglich gelangten die lateinischen Schriftzeichen, die Rōmaji (ローマ字) bereits im 16. Jahrhundert mit europäischen Missionaren nach Japan. Doch die Zeichen verschwanden in der Zeit der politischen Isolation Japans im 17. Jahrhundert wieder völlig aus dem Alltag.
Erst seit der Öffnung Japans in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden die Beziehungen zum Westen immer enger und Rōmaji wieder wichtiger.
Heute lernen alle japanische Schüler Romaji als letztes der 3 Schriftsysteme mit Beginn des obligatorischen Englischunterrichts.
Spätestens seit dem Computerzeitalter ist das Romaji unverzichtbar, da japanische Tastaturen weitaus funktionaler mit dem Alphabet angelegt werden können. Schreibt man so einen Text, schlägt das Schreibprogramm automatisch die möglicherweise passenden Kanji vor, aus denen man dann das Zutreffende auswählt.
Romaji findet man ebenso auf japanischen Verkehrs- und Hinweisschildern, ohne die ausländische Japanreisende im Straßengewirr oft auf verlorenem Posten wären.
- Die japanischen Schriften in der Übersicht: Hiragana oben, Katakana in der Mitte und romanisierte Entsprechungen unten - Bild: © Tokino's - Wikimedia**
Schriftreformen
Japan hat eines der kompliziertesten Schriftsysteme der Welt. Im Laufe der Jahrhunderte gab es unzählige Überlegungen das Schriftsystem zu reformieren, die aber regelmäßig aus verschiedensten Gründen scheiterten.
Erst die große Schriftreform von 1945 beschränkte die „Alltags-Kanji“ auf 1.850 Zeichen und vereinfachte deren Schreibweise. In den achtziger Jahren kamen 95 Kanji hinzu, 2010 mit der Jōyō-Kanji-Liste noch einmal 196. Heute werden nicht mehr verwendete Kanji regelmäßig aus der Liste gestrichen.
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Fotos:
* A.Davey from Portland, Oregon, EE UU, Billet-Doux - Japanese woman writing a letter on paper roll with an ink brush (1911 by Elstner Hilton), CC BY 2.0
** By Tokino's file - File:Nihongo_ichiran_01.png, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11554039
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