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Weihnachten in Japan - Dating, Kuchen und Fried Chicken

„Oh, du feierst Weihnachten mit deiner Familie!?“ Yuka bleibt abrupt stehen. Die Menschen auf Tokios Omotesandō strömen an uns vorbei. Aus dem Geschäft vor uns erklingt das Lied von Rudolf, dem rotnasigen Rentier. Schon wieder! Ich schaue zu Yuka. Über Ihr spannt sich ein künstlicher Himmel aus LED-Lämpchen. Es sieht aus, als würde goldenes Licht auf sie herabregnen. Ihr Blick verrät tiefe Besorgnis.

Es ist nicht so, dass meine Familie besonders anstrengend wäre oder Yuka generell etwas gegen Familienfeste hätte. Im Gegenteil, noch vor wenigen Minuten hat sie vom anstehenden Neujahrsfest geschwärmt, das sie bei ihren Eltern in einem verschlafenen Provinzdorf verbringen wird. Aber hier geht es um „Kurisumasu Ibu“ (クリスマス・イブ), wie man den Heiligen Abend in Anlehnung an das englische „Chrismas Eve“ nennt.

Plötzlich klart sich ihre Miene auf: „Warte, du kennst doch Mariko ...“ Ja tue ich. Und ich ahne auch was nun folgen wird und unterbinde den nett gemeinten Verkupplungsversuch mit dem Verweis auf mein schon längst gebuchtes Flugticket. Wir reden zwar dem Namen nach vom gleichen Fest, aber was Deutsche und Japaner unter einem gelungenen Weihnachtsfest verstehen ist schwer mit einander vereinbar.

Weihnachten in Japan – gleiches Fest und alles anders

Anders als in Deutschland ist Weihnachten in Japan kein traditionelles Familienfest. Es ist kein offizieller Feiertag und frei von religiöser Bedeutung. Bei weniger als 1% Christen in der Gesamtbevölkerung wenig überraschend. Trotzdem hat es sich in vielen Familien eingebürgert, dass Kinder am 24. oder 25.12 von einem Wesen Namens „Santa Claus“ mit Geschenken bedacht werden.

Im Wesentlichen ist Weihnachten in Japan jedoch ein Fest für Paare. Eine Art zweiter Valentinstag, wenn man so will. Wer an diesem wichtigen Tag keine Verabredung vorzuweisen hat ist schon ein wenig zu bemitleiden.

Die Einkaufszentren und Geschäfte bauen auf die Freigiebigkeit von Eltern und frisch Verliebten. Bereits Wochen vor Heiligabend erstrahlen die Städte in eindrucksvollen Lichtspielen, den so genannten Chrismas Illuminations. Die Schaufenster sind gefüllt mit allem was irgendwie an Weihnachten erinnern soll und amerikanische Weihnachtslieder verfolgen die Kunden auf jedem Schritt. Während das Fest für Eltern und Kinder mit dem Überreichen der Geschenke abgeschlossen ist, absolvieren Paare am Abend des 24. Dezember eine Art romantischen Triathlon.

 

Die Weihnachtsbeleuchtung

Weihnachtsbeleuchtung am Caretta Shiodome Shopping-Gebäude in Tokio 2014

Die meisten japanischen Paare beginnen den Abend mit einem romantischen Spaziergang im Glanz der Weihnachtsbeleuchtung. Berühmte Einkaufsstraßen und Shopping-Komplexe investieren jedes Jahr Millionen von Yen in die Entwicklung und Umsetzung aufwendiger Lichtspiele, die wenig mit der vergleichsweise langweiligen Weihnachtsbeleuchtung deutscher Städte gemein haben. Teilweise entstehen zu den Tönen klassischer Musik ganze Traumlandschaften aus kleinen Lämpchen, die man mit Recht als „beeindruckend“ bezeichnen kann.

Mit dem Spaziergang endet der Teil des Abends, der auch ohne Planung leicht durchzuführen wäre.

 

Das Restaurant

Nachdem man sich ausgiebig an den besten Weihnachtsbeleuchtungen der Stadt erfreut hat, wird es Zeit zum romantischen Candle-Light-Dinner in ein gutes Restaurant zu wechseln. Wer hier nicht schon Wochen im Voraus reserviert hat, steht vor einem Problem, denn 100 weitere „spontane“ Paare hatten vermutlich die gleiche Idee. Irgendwann während dieses Aufenthalts nutzen beide Partner die Gelegenheit, im Schein der Kerzen ihre Weihnachtsgeschenke auszutauschen.

 

Das Hotel

Besonders junge Paare stehen vor dem Problem selten über Nacht zusammen sein zu können. Viele japanische Studenten wohnen oft noch bei ihren Eltern oder in einem Wohnheim. Beides Orte, an denen im wahrsten Sinn des Wortes wenig Platz für romantische Momente bleibt. Die Übernachtung in einem Hotel ist für sie die beste Möglichkeit den Abend gebührend abzuschließen. Auch hier ist eine frühe Buchung unbedingt erforderlich, wenn man den Abend nicht mit einer minderwertigen Absteige ruinieren möchte.

Etabliert wurde die japanische Weihnachts-Dreifaltigkeit, während der 80er Jahre. Es war die Hochphase des japanischen Wirtschaftsbooms, in der man gerne Geld für neue Trends und eine gute Zeit ausgab. Der Legende nach war es eine Frauenzeitschrift, die erstmals den Heiligen Abend zum perfekten Anlass für romantische Zweisamkeit ernannte. Ein Restaurantbesuch und die Übernachtung in einem guten Hotel sollten da schon drin sein. Auch wenn das Geld heute etwas weniger locker sitzt, hat sich diese japanische „Weihnachtstradition“ im Wesentlichen gehalten.

 

KFC, Christmas-Cake & „Sexy Santa“ – japanische Weihnachts-Kuriositäten

Als der jesuitische Missionar Francis Xavier 1552 die erste Weihnachts-Messe auf japanischem Boden feiern ließ konnte er sich kaum vorstellen mit welchen „Traditionen“ 400 Jahre später die Geburt Christi begangen werden sollte.

Zugegeben auch in Deutschland versinkt die eigentliche Idee des Weihnachtsfestes oft hinter einem Berg aus Lametta und kommerziellen Interessen. In Japan, wo die christliche Lehre nie wirklich Fuß fassen konnte, lässt sich jedoch fast jedes Element des Weihnachtsfestes auf die Ideen findiger Werbeexperten zurückführen.

Nach einem mehr als 200 Jahre dauernden Verbot des Christentums, gelangten in der Meiji-Zeit (1868-1912) erstmals wieder christliche Missionare ins Land. Zwar könnten diese keine dauerhaften Missionierungserfolge verbuchen, die Übernahme westliche Kulturelemente galt jedoch schnell als Erkennungsmerkmal eines fortschrittlichen Japaners. Händler stellten sich gerne auf die neuen Wünsche ihrer Kunden ein und so dauert es auch nicht lange bis Anfang des 20. Jahrhunderts der erste Weihnachtsverkauf, in einem Geschäft für westliche Lebensmittelimporte, stattfand.

Nachdem der aufkommende Ultranationalismus und der 2. Weltkrieg kurzfristig für ein abgekühltes Interesse an allem Westlichen sorgten, begann mit dem japanischen Wirtschaftswunder auch wieder die verstärkte Vermarktung des Weihnachtsfestes. Zwei in diesem Zusammenhang beworbene Produkte sind heute die kulinarischen Eckpfeiler des „traditionellen“ japanischen Weihnachtsessens.

 

1. Christmas-Cake (クリスマス・ケーキ)

Christmas-Cake gehört zu einem japanischen Weihnachtsfest immer dazu.

 

Kuchen an Weihnachten gibt es auch in anderen Ländern, aber in kaum einem anderen Land gehört der Verzehr des Backwerks so sehr zum Weihnachtsfest wie in Japan.

Die Grundlage des japanischen Christmas-Cake ist ein amerikanisches Rezept für einen Erdbeer-Mürbeteigkuchen, das Anfang des letzten Jahrhunderts seinen Weg nach Japan fand. Da Mürbeteig von vielen Japanern als zu hart empfunden wurde ersetzten ihn die Konditoren bald durch eine locker-saftige Biskuitmasse.

Dazu noch Erdbeeren und reichlich Schlagsahne und fertig ist der traditionelle japanische Weihnachtskuchen. Besonders bekannt für ihren Christmas-Cake ist die Firma Fujiya, der es seit den 60er Jahren gelang den Kuchen als festen Bestandteil des japanischen Weihnachtsessens zu etablieren.

 

2. Fried Chicken

Jedes Jahr an Weihnachten spielen sich seltsame Szenen vor den japanischen Filialen der amerikanischen Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken ab. Menschen stehen in langen Schlangen, um sich ihr oft schon im Voraus bestelltes Weihnachtsmenü abzuholen.

Das japanische Rundum-sorglos-Paket besteht seit 1985 aus einem riesigen Eimer, dem so genannten „Party Barrel“ (パーティバーレル), in dem sich neben einem Teller mit Weihnachtsmotiven, ein Weihnachtskuchen (kein „traditioneller Christmas-Cake, sondern eine Art Schokotorte), ein Salat und eine große Portion Fried Chicken befinden.

Für umgerechnet 28 Euro ist es das „traditionelle“ japanische Weihnachts-Dinner für Familien mit Kindern und all jene die es diesmal nicht in ein Restaurant geschafft haben.

Aber wie kam es dazu, dass amerikanisches Fast-Food zum beliebtesten Weihnachtsessen in Japan wurde?
Laut KFC begann alles mit einem amerikanischen Kunden, an Weihnachten eine japanische Filiale betrat. Da er nirgendwo einen Truthahn auftreiben konnte erschien ihm frittiertes Hähnchen als nächstbeste Alternative zum gewohnten Weihnachtsessen. Inspiriert von diesem Erlebnis starte KFC Japan 1974 die Marketingkampagne „Zu Weihnachten Kentucky“ (クリスマスにはケンッタキー), die seitdem erfolgreich dafür gesorgt hat, dass viele Japaner KFC’s Fried Chicken für ein typisches Weihnachtsessen halten.

 

3. Weihnachtskostüme

Weihnachtskostüme für eine japanische Christmas-Party.

Ebenfalls kurios wirkt was sich in vielen japanischen Kaufhäusern zu Weihnachten in den Regalen türmt. Während sich in Deutschland allenfalls Vater oder Großvater zur Bescherung mit falschem Bart und rotem Morgenmantel zeigen, sind Rentierkostüme, Nikolausmasken und „Sexy-Santa“-Kleider beliebte Verkleidungen auf japanischen Weihnachts-Partys. Veranstaltungen die viele Deutsche eher an Halloween als an eine besinnliche Adventsfeier erinnern werden. 

Ungewohnt ist auch das Ende des japanischen Weihnachtsspektakels. Bereits am 25. Dezember verschwinden Dekorationen und Kostüme aus den Läden. Es muss Platz geschaffen werden für das eigentliche Familienfest des Landes: Neujahr.

 

 

 

 

 

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